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Jocelyn Fawley - Jocelyn Fawley - 20.03.2023

"In dreams of lavender fields, dancing in the summer sun, is where I always find her."


Andächtig streichen Finger über den Buchrücken, welcher sich weich anfühlt. Weich, weil der Umschlag des Buches aus Stoff ist. Weißem Stoff, geziert von gestickten Lavendelblüten, die mit so viel Liebe verarbeitet wurden, dass man beinahe glauben könnte, sie wären echt. Sie duften sogar und führen dazu, dass sich das Herz des Mädchens kurz zusammenzieht.
"Ich weiß noch immer nicht, wie ich es annehmen soll. Du musst so viel Arbeit damit gehabt haben und...ist es denn nicht ein zu großes Risiko?". Geflüsterte Worte, auf die hin Jocelyn den Blick hebt und diesen zu der Frau wandern lässt, die ihr im Kerzenlicht gegenübersitzt.
Sie bekommt dafür ein sanftes Lächeln und beobachtet, wie Flora sich erhebt und zu ihr herübergeht, nur um sogleich eine warme Hand auf ihrer Schulter zu spüren.
"Ich will ehrlich mit dir sein, denn ja, natürlich ist es ein Risiko. Jeder Schritt an jedem Tag ist ein kleines Risiko. Sollten sie es in die Finger bekommen, werden sie sicher einen schrecklich übertriebenen Aufstand machen, doch es war mir wichtig, dass du es hast. Dass du es bei dir hast, wenn du gehst."
Lippen verziehen sich, werden aufeinander gepresst und versuchen für einen Moment Stärke zu bewahren, bevor sich die verräterischen Tränen doch an die Oberfläche bahnen. "Oh Flora" Jocelyn fällt der Frau in die Arme, die für sie mehr eine Mutter ist, als nur eine Gouvernante. Die Tränen kullern nun ungehindert und stehen für den bald bevorstehenden Abschied. Viel zu gern würde Jocelyn ewig hier bleiben, sich hinter den sicheren Hauswänden verbergen, wo sie sein kann, wer sie ist.
Doch sie kann nicht. Ihr letzter Sommer wird es sein, den sie hier bei Flora verbringt. Dann würde ihr letztes Schuljahr beginnen und man hat bereits den Wunsch geäußert, dass sie Weihnachten im Kreis ihrer Familie verbringen soll, wo man neben der Festlichkeiten auch die ersten Details über ihre zukünftige Ausbildung bei Madame Blishwick klären würde. Sie würde dort unterkommen und alles lernen, was sie als gute Haushexe und Ehefrau zu lernen hatte. Die Schonzeit sei vorbei, hatte ihre Mutter ihr zuvor eröffnet und Jocelyn hatte ihr kühles Lächeln als kaum etwas anderes als boshaft deuten können.
Noch blieb ihr etwas Zeit. Die ZAGs, ein ganzes Jahr in Hogwarts. Erst dann würde sie mit dem 'echten Leben' konfrontiert werden, wie es ihre Familie gern nannte.
Aber hierher, an diesen Ort, in Floras schützende Arme, würde sie künftig nur zurückkehren können, wenn man ihr diesen Besuch gestattet.
Sie kann nicht anders, als leise zu schniefen, als Flora sie sanft von sich schiebt, um sie auf Armeslänge von sich zu halten. Eine Hand hebt sich und streicht liebevoll über Jocelyns dunkelblondes Haar.
Der Blick aus Floras Augen ist so voller Liebe, dass Jocelyn ihr Gesicht lieber abwendet, weil sie es kaum ertragen kann. Aber sie muss auch gar nicht hinsehen um von dem liebevollen Lächeln auf Floras Lippen zu wissen.
"Das Risiko ist es wert, denn so wirst du etwas bei dir haben, was dich erinnert. Das schlimmste was dir widerfahren kann, ist zu vergessen. Zu vergessen, wer du wirklich bist."
Der Blick des Mädchens mit den kastanienbraunen Augen hebt sich wieder und hätte sie sonst vielleicht mit einem taffen Spruch geantwortet, so ist ihr Blick diesmal seltsam ernst, als sie zögerlich nickt.
Sie würde nicht vergessen wer sie ist, das nimmt sie sich ganz fest vor, während sie das Fotoalbum an sich drückt.

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"Beautiful wildflower, grow untamed"


- Ein Baby krabbelt schnell voran. Noch sind die Bewegungen etwas unsicher, aber das Ziel ist dabei ganz klar: die flauschige schwarze Katze, welche sich wenige Sekunden später bereitwillig in die Arme des kleinen Mädchens ziehen lässt. - 1961 -

"Wann hast du nur all diese Bilder gemacht?", fragt Jocelyn. Mittlerweile sind die Tränen getrocknet und Jocelyn hat sich eine Kerze herangezogen, um das Fotoalbum durchzublättern. Sie spürt die leichte Gewichtsverlagerung, als sich Flora zu ihr auf die Bank unter dem Fenster setzt, auf der Jocelyn so viele Stunden ihrer Kindheit mit Lesen verbracht hat. Umgeben von Büchern, einer warmen Decke und dem Duft getrockneten Lavendels.
"Oh, nun ich hatte ja genügend Zeit, nicht wahr? In den ersten Jahren haben deine Eltern uns nur sehr selten mit ihren Besuchen beehrt. Wir hatten viel Zeit. Ich habe dich immer bei mir gehabt, wenn wir im Garten Arbeit hatten. Du hast friedlich geschlummert oder voller Faszination die Schmetterlinge und Hummeln beobachtet.", erklärt Flora und Jocelyn kann nicht anders, als zu grinsen. "Oder aber ich habe die Katze geärgert. Offensichtlich.", ergänzt Jocelyn, was Flora zum Lachen bringt. "Erinnerst du dich daran, wie süß die Kleinen waren, die sie hatte? Es ist schon beinahe sechs Jahre her." Jocelyn nickt nachdenklich. "Ich habe geweint, wie ein kleines Mädchen, als mir eines davon bei dem Besuch in der Winkelgasse weggelaufen ist. Ich frage mich immer noch, was aus ihr geworden ist." Wie auf Kommando tapst eine schwarze Katze herbei, dessen Fell eigentlich schon viel mehr grau als schwarz ist. Mit einem eleganten Sprung gelangt sie auf Jocelyns Schoß und rollt sich zu einem kleinen Kringel zusammen. Flora lächelt milde. "Ich bin mir sicher, dass das Kleine damals seinen Weg gefunden hat. Wer weiß, vielleicht kreuzen sich eure Wege einst erneut."
Jocelyn nickt, auch wenn sie nicht ganz überzeugt ist. Immer noch hat sie Schuldgefühle wegen dem vermissten Kniesel-Mischling. Lieber blättert sie weiter in dem Fotoalbum, um auf andere Gedanken zu kommen.

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- Ein Kleid - wohl eher ein Nachthemd. Rosa geringelt ist der Stoff und wirkt als wäre er schon über mehrere Generationen getragen worden, da den Saum bereits kleinste Löcher zieren. Viel zu groß ist es auch, denn es reicht dem kleinen Mädchen beinahe bis zu den Knöcheln, welches mit geröteten Wangen nach einer wilden Tanzeinlage auf dem Klavierhocker neben ihrer Tante Platz genommen hat. Neugierig wird beobachtet wie die Finger der Älteren die Tasten betätigen und diesem damit Töne entlocken. - 1966 -

"Das Nachthemd habe ich immer noch. Ich habe es so geliebt. Es war so viel bequemer als diese grässlichen Seidenkleider, die Mutter und Vater per Eulenpost geschickt haben. Sie hatten Rüschen an den Ärmeln und haben so fürchterlich gekratzt." Flora nickt mit einem Schmunzeln auf den Lippen. "Du hattest schon immer ein Faible für derlei außergewöhnliche Kleidungsstücke" - "Vielleicht hättest du mir damals kein Kleid aus den alten Gardinen nähen sollen. Ich fürchte, das hat mich verdorben". Sie lachen gemeinsam, wissend, dass dies für immer ihr Geheimnis bleiben muss.

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- Inmitten eines Lavendelfeldes tanzt ein Mädchen. Sie dreht sich, sodass der Rock ihres Kleides leicht im Wind weht. Ihre Bewegungen sind anmutig und doch von großer Eleganz. Auf ihrem Kopf wird ein Buch balanciert. Als sie die Fotografin bemerkt, hält sie inne und vollführt mit einem breiten Grinsen einen tiefen Knicks. Das Buch bleibt an Ort und Stelle. - 1967 -

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- Eine rote Gardine, die an einem Türrahmen befestigt wurde, wird mithilfe einer Schnur aufgezogen, wie zu Beginn einer Theatervorstellung. Auf einem hergerichteten Sesselthron sitzt übellaunig dreinblickend eine schwarze Katze, der man eine kleine selbstgebastele Krone auf den Kopf gesetzt hat. Ein Mädchen im lila Kleid steht daneben und hält einen Zettel in der Hand, um davon ihren Text abzulesen. - 1968 -

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"She is the type of flower, that can still grow after a forest fire"


- Dasselbe Mädchen, doch nun ein gänzlich anderes Kleid. Rüschen an den Ärmeln und eine Schleife in ihrem Haar. Unglücklich scheint sie, als sie sich im Spiegel betrachtet und nestelt mit einer Hand an dem Saum eines Ärmels herum, der so wirkt als wäre er ein klein wenig eng und unbequem - 1969 -

"Das war bevor Mutter und Vater mich abholten, weil sie mich bei den Festlichkeiten zu Clives Hogwartseinschulung dabei haben wollten. Ich weiß noch, wie merkwürdig es sich anfühlte. Alle fragten mich, in welches Hogwarts Haus mein Bruder denn meiner Meinung kommen würde, aber ich musste mir etwas ausdenken. Immerhin habe ich ihn kaum gekannt! Genauso wenig wie Mutter und Vater. Ich sah ihn zum zweiten oder dritten Mal in meinem Leben. Aber er war immer so nett. Ich hatte ihm von dem Theaterstück mit dem Detektiv erzählt, welches wir beide uns zuvor ausgedacht hatten und er begann mir aus Hogwarts heimlich Briefe zu schicken, um zu erfahren, wie das Theaterstück weitergehen würde. Er gab damals einmal zu, dass er gern ein Detektiv sein würde. Heute sagt er sowas nicht mehr. Oh Flora, es ist so schade, dass er nicht auch hier bei dir aufwachsen konnte. Ich hätte so gern wirklich einen großen Bruder gehabt". Mit einem leisen Seufzen sinkt Jocelyns Schulter an die ihrer Tante, während eine weitere Seite aufgeschlagen wird.

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- Ein Junge steht mit nachdenklichem Blick vor einem Bücherregal. Er hat die Hand zu seinem Kinn gehoben, dessen Haut leichte Narben zieren. Das Sonnenlicht fällt durch ein Fenster in die Bibliothek und lässt den Staub in der Luft leicht schimmern, genauso wie die goldenen Sprenkel in seinen Augen. - R.L., 1973 -

Jocelyns Kopf ruckt nach oben, als sie dieses Foto erreicht. "Flora! Woher hast du dieses Bild!?", fragt sie entsetzt und spürt sogleich wie ihre Wangen heiß werden. Flora jedoch lächelt nur milde. "Du hattest dir damals meine Kamera ausgeliehen und sie mit nach Hogwarts genommen. Ich habe sie dir gern mitgegeben, sodass du ein paar Erinnerungen festhalten konntest. Hättest du gewollt, dass ich die Bilder nie finde, dann hättest du sie aber nicht auf deinem Nachtschrank liegen lassen sollen" Jocelyn schmunzelt und auch wenn es sie etwas Überwindung kostet, nickt sie schließlich. Ihr Blick wandert zurück zu dem Fotoalbum und zu dem Jungen, dessen Lippen ein feines Lächeln ziert. "Ich dachte, es würde dir gefallen", ergänzt Flora, "Außerdem ist er wirklich süß" - "Flora!", schimpft Jocelyn. Sie lachen.

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- Ein Mädchen mit feuerroten Haaren und Sommersprossen blickt in die Kamera. Sie schielt und zieht lustige Grimassen - Lily, 1974 -

"Ich werde ihnen nicht mehr schreiben können, wenn das Schuljahr erst vorbei ist. Wenn ich erst bei Tante Blishwick wohne, ist das Risiko viel zu groß, dass jemand die Briefe abfängt. Eine Freundschaft zu einem Halbblut wäre ja vielleicht noch in Ordnung, aber zu einer Muggelgeborenen? Mutter würde mich enterben, sollte ihr das zu Ohren kommen.", murmelt Jocelyn traurig. Floras Blick ist besorgt. "Meinst du nicht, dass du dies etwas zu streng siehst? Ich weiß, man erzählt sich so einiges über Madame Blishwick, aber dass sie tatsächlich die privaten Briefe ihrer Mädchen durchsuchen lässt? Warum sollte sie so etwas tun, solange du ihr keinen Grund zur Annahme von Zweifeln gibst?"
Jocelyn zuckt unglücklich die Schultern. Sie weiß, sie haben jahrelang darauf hingearbeitet. Flora hat ihr alles beigebracht, was sie über die Reinblutgesellschaft wissen muss. Sie kennt die Stammbäume, die Sitten und Gebräuche. Sie weiß, was die Tabus sind und wann man sich in einem Gespräch höflich entschuldigen sollte, um schwierigen Themen aus dem Weg zu gehen. Trotzdem hat sie Angst Fehler zu machen und nun in einem Jahr in die Lehre dieser alten Hexe zu gehen und unter ihrem strengen Blick zu agieren, ist eben nochmal etwas ganz anderes, als sich nur gelegentlich auf einer öffentlichen Veranstaltung in einem hübschen Kleid zu zeigen.
"Es ist spät und ich werde langsam müde. Vielleicht sollten wir den Rest morgen gemeinsam ansehen.", erklärt Jocelyn und klappt das Fotoalbum vorsichtig zu. Dass sie damit Floras Frage aus dem Weg geht, weiß sie. Sie beide wissen es. Und doch lässt Flora zu, dass Jocelyn der Katze zum Gute-Nacht-Gruß einen Kuss auf die Stirn gibt und sich dann auch von ihr verabschiedet, um zu Bett zu gehen.

"You painted the sky lavender, placed daisies on my head and I wondered how can someone who rules hell be so entranced by flowers?"


07.11.1978


Vorsichtig streifen Finger über das Foto, auf dem ein junger Mann und eine junge Frau zu sehen sind. Ganz in schwarz gekleidet sind sie, als wäre der Anlass eine Beerdigung und... zumindest für eine Person unter ihnen fühlt sich dies auch teilweise so an. Jocelyns Kleid lässt jedoch mutmaßen, worum es tatsächlich geht. Funkelnde Elemente sind in den feinen Stoff des Kleides hineingearbeitet, die das Licht zu reflektieren scheinen. Oder leuchten sie gar von selbst? Wie ein kleiner Sternenhimmel schimmern sie und wer genau hinsieht, der erkennt selbst auf dem Foto, dass sie sich ganz langsam bewegen und in eine Richtung ziehen, so wie ein echter Sternenhimmel es zu tun vermag.
Ein Kleid, welches der Verlobung mit einem Black gerecht werden würde. Einem Black. Regulus Black.
Eine kleine Feier, zu der wohl kein Rosier erschienen ist, nachdem die zugvorige Verlobung zu Evan Rosier so knapp zuvor aus heiterem Himmel aufgelöst wurde. Aus Gründen, die selbst Jocelyn nicht ganz versteht.
Klein wurde die Feier deswegen, weil es Orion Black, der gestorben war und der nun doch lebte, gesundheitlich nicht gut ging. Nur ihre Eltern und die engsten derer Freunde waren außer den Blacks zugegen.
Doch so unangenehm der Moment des Fotos ihr auch war, äußerlich wird man ihr dies auf dem Foto nicht ansehen können. Nein, sie lächelt strahlend und wirkt tatsächlich wie ein kleiner Stern, als würde sie schon längst zu dieser Familie gehören, die sich selbst mit Sternennamen rühmt.

Doch hier, da sie allein auf dem Bett ihres Zimmers sitzt und das Foto betrachtet, muss sie diese Maske nicht wahren. Sie muss die Tränen nicht unterdrücken, die sich an die Oberfläche kämpfen wollen. Ihre Hände zittern, während sie den feinen ganz dezenten Duft von Lavendel und frisch bedruckten Büchern wahrnimmt, den sie schon zuvor eigentlich hätte erkennen müssen.
Sie hat versagt.
Auf ganzer Linie.
Und nun fürchtet sie sich vor den Konsequenzen.
Der Pralinenkasten neben ihr auf dem Bett ist es, der einen bösen Blick der Hexe abbekommt. Pralinen, die mit Liebestrank versetzt waren.
Sie weiß nicht mehr, von wem sie sie bekommen hat. Ein Verlobungsgeschenk war es. Sie hätte sie wegwerfen sollen, statt sie mit Regulus zu teilen.
Doch er war... so anders. So offen, freundlich. Es war, als würde er aufleuchten und ein anderer Mensch werden. Aufrichtiger. Lockerer. Menschlicher. Das Haus gezeigt hat er ihr und hat dabei in ihr die Hoffnung geweckt, diese Verbindung könnte tatsächlich etwas Gutes nach sich ziehen.
Zumindest bis der Hauself kam und Regulus etwas gab. Schlagartig hatte er sich danach verändert und bei seinem Blick hatte sich alles in Jocelyn zusammengezogen.
Er hatte sie stehen lassen. In seinem eigenen Haus. War gegangen.
Voller Verachtung.
Sie weiß nicht, ob er bereits jemandem erzählt hat, was sie getan hat. Sie weiß nicht, ob man hinter vorgehaltenen Händen bereits tuschelt Jocelyn hätte ihren Verlobten mit Liebestrank vergiftet.
Ist es bereits verloren?
Alles umsonst, woran sie so lange gearbeitet hat?