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Lily Evans - Lily Evans - 27.03.2023 Tausend Dinge, die ihr durch den Kopf gingen. Vorsichtig linste sie zu Petunia hinüber, während sie darauf warteten durch eine Wand marschieren zu können. Eine Wand! Ihre Mum strich sich nochmal über das Kleid, das sie normalerweise nur in die Kirche anzog und dann gingen sie los. Durchquerten eine Wand, die keine war, nur um im nächsten Moment auf dem Kuddelmuddel eines Bahnsteigs zu landen, der gleichermaßen überfordernd wie faszinierend war. Wenn Lily vorhin noch gedacht hatte, dass es ein leichtes sein würde Severus hier ausfindig zu machen, wurde sie an dieser Stelle eines Besseren belehrt. Eulen flogen durch die Luft und verteilten ihre Post an zum Teil Spitzhuut tragende Menschen, die aussahen, als wären sie einer anderen Zeit entstiegen. Sie drückte die Hand ihres Dads ein bisschen fester, ein stummes "Oohh!" glitt über ihre Lippen. So viele bunte Farben, so viele verschiedene Menschen! Neugierig starrte sie eine Familie an, deren Hautfarbe sie an Zartbitterschokolade erinnerte, die, die ihr Vater ihrer Mutter immer zum Hochzeitstag mitbrachte. Natürlich wusste sie was Ausländer waren, aber in ihrer Nachbarschaft hatte es eben keine gegeben und die enormen Segelohren von Gregor waren mit die eindrucksvollsten körperlichen Dinge, die sie je gesehen hatte. Das und natürlich das fehlende Bein von Mr. Dylan, der im Krieg gedient hatte und jedem, der es hören wollte (oder auch nicht) die Geschichte erzählte, wie es dazu gekommen war. Sie hörte, wie ihre Ma schniefte. Sie hörte auch das Räuspern ihres Dads, der einen eben solchen Gefühlsausbruch unterdrückte. "Ich hab euch lieb! Ich schreib euch jeden Tag! Mr. Slughorn hat doch gesagt, dass man jederzeit die Schuleulen ausleihen darf!" Ein zittriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, denn die Tränen stiegen auch gerade in ihre Augen. Doch Lily wollte tapfer sein, auch wenn sie ihre Familie erst zu Weihnachten wieder sehen würde und sie noch nie so lange von zuhause fort gewesen war. Sie würde ihnen zeigen, dass sie sich keine Sorgen machen mussten! "Halt die Ohren steif, Lilymaus." Ihr Dad nahm sie nochmal in den Arm, küsste sie auf die Stirn und Lily schloss die Augen, während sie ein wenig errötete. Lilymaus hatte er sie schon lange nicht mehr genannt und sie fühlte sich schon zu alt dafür, aber berichtigte ihn in diesem Moment auch nicht. Dann schloss sie ihre Ma in die Arme und zuletzt stand die Verabschiedung von Petunia an. Irgendwie war da diese Spannung zwischen ihnen, seit sie den Brief aus Hogwarts bekommen und Petunias Bitte an den Schulleiter nichts bewirkt hatte. Diesmal war es Lily, die sich räusperte und keine Worte fand, obwohl das doch früher immer so leicht gewesen war. "Also dann, man sieht sich." Verlegen lächelte sie Tunia an, hob die Hand leicht, als wolle sie sie ihr entgegenstrecken und entschied sich auf halbem Weg dazu, zu winken. Seltsam. Grimm und Entschlossenheit, Zerbrechlichkeit und Trauer. Wenn jemand all das gemeinsam ausdrücken konnte, dann war es wohl sie, die an Remus' Schulter gelehnt einfach ins Nichts stierte, während ihr Freund vor allem einfach da war, ohne zu versuchen Partei zu ergreifen, oder Salz in die Wunde zu streuen. Nicht, dass Ersteres bei Severus Snape in Frage gekommen wäre! Ganz taff hatte sie ihrem ehemals besten Freund verkündet, dass er sich gar nicht erst bei ihr zu entschuldigen brauchte, dass es vorbei war und sie ihn nicht mehr entschuldigen würde. Nach all den Dingen, die gewesen waren, hatte er sie nun endlich Schlammblut genannt und damit unter Beweis gestellt, wessen Geistes Kind er war. Damit wollte sie nichts zu tun haben. Und doch geisterte immer wieder die Frage in ihrem Kopf herum: Warum? Severus und sie waren schon Freunde gewesen, als Hogwarts nur aus wilden Geschichten bestand, die keiner von ihnen selbst erlebt hatte. Sie waren gemeinsam durch die Flure der Schule gegangen, trotz ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Häusern, trotz der Blicke und abfälligen Kommentare und lange Zeit hatte Lily nicht geglaubt, dass Severus sich für sie schämte. Denn sie waren beide Kinder Cokeworths und es war egal, dass seine Mutter eine Hexe war und ihre Eltern nicht, ihre Begeisterung für die magische Welt hatte sie mehr noch als die gemeinsame Herkunft geeint. Aus und vorbei. Jetzt war sie ja vor allen Dingen ein Schlammblut und sie konnte ihm diese Schmähung nicht verzeihen. Es war widerlich, es war gestört, es machte sie so unfassbar wütend und traurig, obwohl das Schimpfwort doch normalerweise an ihr abperlte. Wenn irgendjemand anderes es sagte. Nur nicht Severus. Bei Severus war es anders. Allerbeste Freunde - von wegen! Ab sofort würde Severus Snape ein Fremder für sie sein. Der Arm ihres Verlobten lag irgendwo oberhalb ihres Kopfes und während er endlich schlief, war es ausnahmsweise Lily, die nicht in den Schlaf fand. Vorsichtig drehte sie sich herum, schmiegte sie ihren Kopf an seiner Seite an und schloss die Augen, auf die ruhigen Atemzüge lauschend. Die Schreie waren so eindrücklich gewesen. Die Not, die den Menschen in den Augen gestanden hatte. Verletzungen durch Splitter, Verbrennungen dritten Grades, oder gar ein Körper, dessen Leben bereits ausgehaucht war. Lily hatte sie heute alle gesehen und ja, es war auch das erste Mal gewesen, dass jemand unter ihren Händen verstorben war und auch das ließ sie nicht mehr los. Dabei hatte sie gar nicht viel machen können, so früh in ihrer Ausbildung. Sie hatte Händchen gehalten, den praktizierenden Heilern assistiert und Tränke herangeschafft, deren Vorrat in besorgniserregenden Ausmaß schrumpfte. Es waren wohl Momente wie diese, die einen Meilenstein in der Ausbildung junger Heiler bedeuteten: Der Nachwuchs musste abgehärtet werden und eben deswegen arbeitete man wohl auch in der Aufnahme zu, wo von Kinkerlitzchen (wie Schürfwunden), bis hin zu Opfern von Terrorismus (wie heute) alles landete. Sie schämte sich nicht dafür, dass sie während ihrer Schicht zwei Mal zur Toilette gegangen war, um ihren Mageninhalt dem Porzellanaltar darzubieten. Das erste Mal war gewesen, als die eben noch lebendige Hand in der ihren erschlafft war und sie gesehen hatte, wie etwas im Blick des Patienten - nunmehr Toten - verloren gegangen war. Das zweite Mal war, als sie Peter hereingebracht hatten. Pete. Sicher, sie verband keine so enge Freundschaft mit dem Rumtreiber wie die ihre zu Remus war, aber das bedeutete nicht, dass der Pettigrew ihr nicht am Herzen lag. Und er hatte übel ausgesehen mit seinen Verbrennungen. Mehr noch als um seine körperliche Versehrtheit hatte die junge Hexe sich aber um seine psychische Verfassung gesorgt und darum hatte sie ihren Ausbilder auch um ein paar Minuten Pause gebeten, um ihren Freund zu sich nach Hause zu holen. Nach Godrics Hollow. James hatte sich dort rührend um ihn gekümmert und Remus hatte später übernommen, während sie zurück ins Mungos gemusst hatte, das wusste sie, aber es ließ sie dennoch einfach nicht mehr los. Terror und Schrecken waren in ihrem engsten Kreis angekommen und es war einfach Glück, dass Peter den Angriff auf den Tropfenden Kessel überlebt hatte, alles andere als Selbstverständlichkeit. Er war noch so jung, so wie sie alle und dennoch musste man sich tagtäglich die Frage stellen, ob man ein Morgen noch erleben würde. Und wie es aussehen würde! Es lag ihr zentnerschwer im Magen und raubte ihr jetzt sogar den Schlaf. Dennoch stand sie nicht auf, um sich zu ihren Freunden ins Wohnzimmer zu gesellen. Sie musste schlafen. Sie brauchte Schlaf. Da waren so viele Leute im Mungos, die versorgt werden mussten und die es verdienten von einer halbwegs ausgeschlafenen gepflegt zu werden. Wenn sie helfen wollte, wenn sie etwas am Ist-Zustand ändern wollte, dann musste sie stark sein und die Zähne zusammenbeißen. Als Heilerin würde sie von echtem Nutzen sein und als Auror würde James in Zukunft dafür sorgen, dass Schwarzmagier aus dem Verkehr gezogen werden würden. Oder diese taten selbiges mit ihm... Er musste spüren, dass sie sich quälte. Obwohl James nicht aufwachte, wälzte er sich auf die Seite, schloss sie in seine Arme. Die Nase an seine Brust gedrückt, dankte Lily dem Universum dafür, dass all ihre Lieben den heutigen Tag überstanden hatten. |