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Herman Wintringham - Herman Wintringham - 01.11.2023 Der Himmel war sternklar und der Waldboden von Frost und Schnee bedeckt. Noch ahnte Herman nicht, dass dies seine letzte Nacht als Sterblicher sein würde, doch die unwiderstehliche Anziehung, die seine neue Liebschaft Luella von Anfang an auf ihn ausgeübt hatte, sollte ihm zum Verhängnis werden. Nie hatte er es infrage gestellt, dass sich ihre Treffen lediglich auf die späten Abendstunden beschränkten. Und als er realisierte, welch dunkles Geheimnis sie verbarg, war es bereits zu spät. Die einst so klaren, eisblauen Augen seiner Geliebten schimmerten in einem beunruhigenden Rot und ehe er auch nur den Hauch einer Chance hatte zu reagieren, gruben sich ihre spitzen Zähne tief in seinen Hals. Ein bittersüßer Schmerz durchzog ihn, und er verlor das Bewusstsein, während der raue Atem des Todes an seine Seite schlich. Sein Körper bebte vor Schmerz und Verlangen, während sein Geist in einen Abgrund der Dunkelheit stürzte. Als er wieder zu sich kam, war nichts mehr wie zuvor. Ein intensive Verlangen nach Blut loderte wie ein brennendes Feuer in ihm und es war, als wäre dieser Durst schon immer ein Teil von ihm gewesen und hätte nur darauf gewartet geweckt zu werden. Luella weinte blutige Tränen, als sie sich entschuldigte und erklärte, dass sie seinem Blut nicht hatte widerstehen können und sie daher versehentlich zu viel von ihm getrunken hatte. Mit seiner Wandlung hatte sie sein Leben gerettet, doch gleichzeitig gegen ein wichtiges Gesetz unter den Vampiren verstoßen. Das Gebot des Blutkusses besagte, dass nur auserwählte Sterbliche zu Vampiren gewandelt werden durften. Dafür mussten vorab der Ahnenrat, der Hohe Rat und der Regent entscheiden, ob ein Vampir mithilfe des Blutkusses einen anderen Vampir erschaffen werden durfte oder nicht. Verstöße gegen dieses Gebot hatten den Tod des Erschaffers und seines Blutkindes zur Folge. In ihrer Verzweiflung kontaktierte Luella in den ersten Tagen nach dem Unfall Jeanne Bouchard. Eine einflussreiche Vampirin und Mitglied im französischen Ahnenrat, die ihr glücklicherweise noch einen Gefallen schuldete. Überwältigt und überfordert von den neuen Empfindungen, die seine Wandlung zur Folge hatte, sollte Herman von dem Auftauchen der hübschen Fremden, sowie dem Gespräch der beiden Frauen nichts mitbekommen. Auch der zeitnahe Abschied von Luella zog an ihm vorbei, ebenso wie die Erkenntnis, dass sein altes Leben, seine Familie und alles, was er gekannt hatte, nun der Vergangenheit angehörte. In den ersten Wochen nach seiner Wandlung fühlte er sich, als wäre er in einem nicht endenden Albtraum gefangen. Der Umstand, dass er die Natur, die er so liebte, fortan nur noch bei Nacht genießen konnte, machte ihm besonders zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass er sich mit dem Blutdurst arrangieren musste. In dieser Zeit war Jeanne Bouchard diejenige, die ihm dabei half mit seinen neuen Empfindungen und Kräften umzugehen und sie einzusetzen. Bis heute ist er davon überzeugt, dass er ohne ihre Hilfe dem Wahnsinn verfallen wäre. Die endlosen Nächte, die sie miteinander verbrachten, führten dazu, dass er sich mehr und mehr zu der hübschen Vampirin hingezogen fühlte. So begann er bereits nach einigen Monaten damit ihr Avancen zu machen und war dabei äußerst hartnäckig. Er trug ihr Gedichte auf Englisch und auch auf Französisch vor, begleitet von den melodischen Klängen seiner Laute, in dem verzweifelten Versuch, ihr untotes Herz zu gewinnen. Doch vergeblich, denn Jeanne blieb unnachgiebig und wies seine Annäherungsversuche zurück. Dies hielt Herman jedoch nicht davon ab es weiterhin zu probieren und obwohl er Jeanne damit gehörig auf die Nerven ging und sie ihn dies auch spüren ließ, machte er ihr weiterhin Komplimente und verpasste ihr Spitznamen, um die sie nicht gebeten hatte. In einer der dunkelsten Nächte in Frankreich geschah es dann. Es war Zufall, dass er auf ein magisches Opfer getroffen war. Statt von ihr zu trinken, verschleppte er die überrumpelte Hexe und setzte sie Jeanne vor. Natürlich witterte auch sie den verlockenden Duft magischen Blutes und als er den Ausdruck in ihren Augen sah, wusste er, dass er es dieses Mal schaffte ihr zu imponieren. Überwältigt von der Anziehung dieses Opfers ließ sie sich darauf ein, dass sie es miteinander teilten, nur um kurz darauf gegenseitig übereinander herzufallen und eine Intimität zu teilen, die Herman sich schon sehr sehr lange herbeigesehnt hatte. Im Eifer des Gefechtes bekamen die beiden Vampire nicht mit, dass ihr gemeinsames Opfer dieses Intermezzo nicht überleben sollte. Erst als ihr berauschter Verstand wieder klarer wurde, bemerkten sie es. Ebenso schnell wie sie daraufhin die Spuren beseitigten, kehrte Jeanne zu ihren Prinzipien zurück und gab ihm zu verstehen, dass das was sie beide in dieser Nacht geteilt hatten nicht mehr war, als ein flüchtiger Moment der Leidenschaft und Schwäche, etwas, das sich nicht wiederholen würde. Niemals wieder. Zum Hermans Bedauern sollte sie damit recht behalten. Die Abfuhr brach nicht nur sein Herz, sondern traf vor allem seinen Stolz. Aus jugendlichem Trotz fasste er den Entschluss Frankreich und damit auch Jeanne hinter sich zu lassen. Ohne einen offiziellen Abschied. Nach seiner Abkehr von Jeanne, fühlte er sich beinahe so verloren wie in den ersten Wochen nach seiner Wandlung. Die Sehnsucht nach einer Verbindung zu seiner Familie und seiner Heimat trieb ihn zunächst zurück nach England. Doch als er aus der Ferne seinen gealterten Bruder vor dem elterlichen Laden erblickte, brachte er es nicht über sich, sich ihm zu offenbaren. Natürlich war das Leben für seine Familie nicht einfach stehen geblieben und sie hatten ohne ihn weitergemacht. Etwas, was er sehen musste, um es zu akzeptieren und damit abschließen zu können. Es fiel ihm nicht leicht, doch da es in seiner alten Heimat nichts mehr für ihn gab, verließ er sie abermals und begab sich nach Rumänien. Jeanne hatte ihm vor ein paar Jahren verraten, dass sie Luella damals dorthin verbannt hatte. Nach dem Verlust von Jeanne und seiner Familie war die Suche nach der Vampirin, die ihn gewandelt hatte, ein verzweifelter Versuch sich an den einzig verblieben Rettungsanker zu klammern. Allerdings war die Suche nach ihr vergeblich, sodass er sich damit arrangieren musste auf eigenen Beinen zu stehen. Den Großteil der Jahre verbrachte er inmitten der wilden Natur, wo er in kleinen Hütten hauste. Frei von den auferlegten Vampirgesetzen und unauffällig genug, um keine Vampirjäger auf den Plan zu rufen. Während er sich bewusst von der magischen Welt fernhielt, mischte er sich häufig unter die Muggel, lernte ihre Sprachen, teilte ihre Bräuche und genoss die Freiheit, unerkannt zu bleiben. Doch nicht immer schaffte er es Herr seiner Sinne zu bleiben und es kam zu Unfällen, denen zumeist einsame Wanderer zum Opfer fielen. Um weiterhin unentdeckt zu bleiben reiste er regelmäßig weiter, spätestens dann, wenn die Menschen ihm gegenüber Misstrauen entwickelten. So zogen die Jahre dahin und er spürte, wie er sich mehr und mehr von seiner ursprünglichen menschlichen Natur entfremdete und sich an das Vampirsein gewöhnte. Als er fast 200 später nach England zurückkehrte, fühlte er sich, als wäre er aus einer Zeitmaschine gestiegen von der Wells bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts in einem seiner Romane geschrieben hatte. Der Krieg und die Verschiebungen in der magischen Welt hatten ihre Spuren hinterlassen, moderne Technologie hatte Einzug gehalten, und das geschäftige Treiben auf den Straßen des modernen Londons faszinierte ihn. Herman machte sich die Anonymität der Großstadt zu Nutze, um sich abermals unter die Muggel zu mischen. Die Neugierde zog ihn dabei in die Kunstszene. Eine Vorliebe für Gemälde und Skulpturen hatte er bereits in den Jahren, die er in Frankreich gelebt hatte, entwickelt. Auch auf seinen Reisen hatte er viele Künstler gesehen und zum Teil kennengelernt, sodass er ein gutes Gefühl für die Kunst als solche entwickelt hatte und sich in London mit den Jahren einen Namen als Kunstsammler machen konnte. Dass London es gut mit ihm meinte, sollte sich 1975 zeigen, als er bei der Eröffnung eines Elysiums für Vampire zufällig auf Jeanne Bouchard traf. Ihr Anblick sorgte schnell für ein neuerliches Erblühen seiner Gefühle für sie und er war entschlossen, alles für die Wiederbelebung ihrer Beziehung zu tun. Er war sogar bereit, sich den strengen Gesetzen des Lex Sanguinis zu beugen, um ihr damit zu zeigen, dass er sich durchaus geändert hatte und reifer geworden war. Doch nicht nur die Gefühle für Jeanne sollten wiederaufleben, sondern auch seine Liebe für die Musik. Im Herbst 1976 führte ihn das Schicksal in einen schäbigen Pub, indem er unerwartet über eine aufstrebende Band namens The Weird Sisters stolperte. Ihr Sound gefiel ihm und auch die Ausstrahlung der verschiedenen Charaktere tat es ihm auf Anhiebt an. Sein spontanes Angebot, bei einem ihrer Songs auf seiner Laute mitzuwirken, wurde vor allem von dem Leadsänger und dem Leadgitarrist begeistert angenommen. Noch an diesem Abend wurde er Teil der Band und noch dazu sollte er in dieser unkonventionellen Gruppe etwas finden, wonach er sich seit Ewigkeiten gesehnt hatte. Die Liebe zur Musik und die Tatsache, dass sie seine wahre Identität als Vampir akzeptierten, ließen sie zu einer Familie für ihn werden. |