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Alfa Fairchild - Druckversion

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Alfa Fairchild - Alfa Fairchild - 24.11.2021

Tabellarischer Lebenslauf
1950, 13.03.: Geburt. Alfa wird als erstes Kind des Gutsverwalters von Pennington Hall, Honor Fairchild, und seiner Frau Sue, auf dem Anwesen der Penningtons, geboren.
1953: Geburt ihres Bruders Charles
1954, Sommer: Einschulung in eine Primary School
1956, Sommer: Einschulung in die Junior School
1962, Sommer: Einschulung in die Secondary School
1966, Herbst: wird Teil der aufkommenden Hippieszene, raucht mit Freunden gelegentlich Marihuana
1967, Sommer: Schulabschluss.
1967, 20.08: Alfa wird von einem Werwolf gebissen
1967, 17.09.: Alfa verschwindet am späte Nachmittag nach einen Streit mit einem Mann spurlos
1967, 18.09.: erste Verwandlung, Alfa wird Teil eines kleinen Werwolfrudels
1968, Frühling: Alfa findet einen festen Partner unter den Werwölfen
1970, Sommer: Alfa wünscht sich mehr und mehr ein Kind
1974, Sommer: Alfa wird zusehends bei Neumond depressiv, Konflikte mit der Alpha-Wölfin des Rudels nehmen zu.
1975, 30.10.: Alfa lernt Ryan Crossfield in London kenne, der ihr von den Forschungen Damocles Belbys erzählt und versucht sie anzuwerben.
1975, 19.11.: Alfa verlässt allein und ohne Abschied das Rudel und ihren Partner
1975, 02.12.: Einwilligung zur Teilnahme an den Experimenten in Belbys Labor
1977, 01.07.: Dauerverwandlung zum Werwolf

Domus mea
Der Winter lockerte nur langsam seinen eisigen Griff, dem nahenden Frühling kaum Raum gebend. Die letzten Wochen hatte es getaut, doch kletterte das Thermometer auch tagsüber noch kaum über die 10°C Marke. Kalter Wind liebkoste ihr Gesicht und zerrte an ihren langen dunkelbraunen Haaren, welche die grüne große Schleife nicht zu bändigen wusste. Ihre Wangen waren gerötet, von der beißenden Kälte ebenso wie von der Aufregung. Der Freude, welche am heutigen Tage durch ihre Adern raste. Es war ihr elfter Geburtstag. Und ihre Eltern hatten ihr ein rosarotes Fahrrad geschenkt, mit Bananensattel und Troddeln rechts und links am Lenker, nichts hatte sie sich sehnlichster gewünscht!. Und so hatte sie auch gleich, unter dem Protest ihrer Mutter, eine Runde auf dem Anwesen gedreht, war nur rasch den Weg hinaus in den Wald gefahren, dort die eisige Luft und den Duft der uralten Bäume tief in ihre Lungen einsaugend. Gern wäre sie noch geblieben unter den kahlen Ästen der Bäume, doch sie wollte ihren Jungs das Fahrrad zeigen.
Und so wirbelte sie herum und schwang sich auf den rosarote Drahtesel. Da sie ihr limonengrünes Festtagskleid trug, stellte sie sich auf die Pedalen und trat behutsam, um den Tüll nicht zu zerreißen. Sie lechzte nach der Unabhängigkeit die ein Rad bot, und die die Jungs auf dem Anwesen und in der angrenzenen kleinen Ortschaft alle schon genossen. Fahren gelernt hatte sie auf dem Rad ihres besten Freundes Connor. Connor dem sie jetzt zeigen wollte wie gut sie fahren konnte. Wie schnell. Sie raste den Weg zurück, am Cottage ihrer Eltern vorbei, den Umstand ignorierend, dass ihre Mutter auf der Veranda stand und nach ihr rief. Sie wäre nicht richtig angezogen um in der Kälte Rad zu fahren, sie solle reinkommen. Doch Alfa rief ihr nur über die Schulter zu: "Ich fahr zu Connor und den Jungs ins Dorf!" Und fort war sie, die Straße hinunter. Im Dorf angekommen mied sie das Haus von Mrs Foster indem sie auf der andern Straßenseite fuhr, hinter den Bäumen verborgen, denn wenn Mrs. Foster einen sah, dann bat sie einen hinein und man musste mit ihr Tee trinken und Kekse essen. Das war nichts für Alfa, die Hummeln im Hintern hatte und auf Abenteuer aus war.

Sie fand die Jungs bei den Garretts, alle auf ihren Rädern, bereit aufzubrechen. `Wie siehst du denn aus, Alfa?` Timmy lachte sie aus, wegen dem limonengrünen Ungetüm in dem sie steckte. Sie verzog das Gesicht, während ihr Freund nur blöd grinste. "Man das musste ich anziehen, is mein Geburtstag." `Du siehst nicht mal aus wie du', meinte Danny und schob dann hinterher. 'So kannst du auch nicht mit uns radfahren, kommst ja net hinterher in dem Fummel.' Alfa verzog ihr Gesicht und streckte ihm frech die Zunge raus. "Ach kann ich nicht? Wirst sehn was ich kann! Fangt mich doch! Wer als erster am See ist!" Sie sprang wieder auf ihr Rad und trat so schnell sie konnte in die Pedalen, der kalte Wind hüllte sie ein. So jagte sie die Landstraße hinunter, jagte dem Leben hinterher, hörte das Sausen der Reifen und das Keuchen der Jungs hinter ihr, die versuchten sie einzuholen. Ihr Rock bauschte sich zu beiden Seiten des Rades, das zerzauste dunkelbraune Haar flatterte ihr in die Augen, weil die Schleife längst verloren war, vom Wind entrissen, und sie stellte sich vor, eine Fee zu sein. Ein Waldgeist.

Nach Luft ringend und mit quietschenden Reifen erreichten sie, Timmy und Connor gleichzeitig den Anleger, sich alle zum Sieger des Rennens erklärend. "Unentschieden!", herausfordernd sah sie die Jungs an und rannte dann auf den Steg zu. "Aaaalso....wer als Erster...", schrie sie. `Du spinnst doch, Alfa!" Im Sommer sprangen sie hier immer in den See, jetzt aber war nicht Sommer, sondern immer noch Winter. Das Wasser in der Tiefe war eiskalt. Timmy lief hinter ihr her, packte sie am Arm. `In dem Kleid kannst du bei dem Wetter doch nicht in den See springen, dann bist du doppelt tot.' "Doppelt tot kann man gar nicht sein, du Blödmann. Du willst bloß nicht der Verlierer sein?" Connor trat zwischen sie und Timmy. `Ach lass sie doch, Tim. Wetten die traut sich eh nicht reinzuspringen?' Einen momentlang sah sie ihn an, ihren besten Freund, dann sauste sie kreischend die letzten Meter den Bohlensteg hinunter und sprang, ihre Arme weit, so weit ausbreitend in die dunkle Wasserfläche unter ihr. Sie schloss ihre Augen, ihr Kleid flatterte wie Feenflügel und bauschte sich über ihrem Kopf, ehe sie keuchend in das eisige Nass eintauchte. Die Jungen brüllten ihren Namen. Sie blieb eine Weile unter Wasser, wo es still war, ganz so wie sie es immer machte, sich liebkosen lassend von den Fluten. Der See und sie hatten eine besondere Beziehung, sie fühlte sich geborgen unter dem Gekräusel der Wellen. Dann ließen ihre brennenden Lungen sie im Stich. Rasch tauchte sie auf und sah, dass die Jungs zu ihr hinunter schauten. Fassungslos. Ihr Kleid schwamm jetzt wie eine Blase aus Tüll neben ihr, in der sie sich treiben ließ. "Gewonnen!", rief sie und Triumph strömte durch ihre Adern. Was zählte war nur der Moment, der Augenblick. Nicht der Umstand, dass sie am nächsten Tag krank das Bett würde hüten müssen.

Auf dem Nachhauseweg zitterte sie vor Kälte und ihre Zähne klapperten. Ihre Lippen waren längst tief blau verfärbt. Connor hatte ihr seine trockene Jacke gegeben, vergebens. Sie fror erbärmlich. Immer wieder sagte er, `Man Alfa, ich kann nicht fassen, dass du das gemacht hast.' Sie brachte ein Lächeln zustande.
Ihr Vater jedoch schien weit weniger überrascht, als Connor ihm schließlich die Geschichte erzählte. `Es war meine Schuld Mr. Fairchild, ich hab gesagt, dass sie sich das nie trauen würde! Da ist sie gesprungen' `Ja eigentlich solltest du's wissen Junge. Alfa traut sich immer!' Und dabei konnte er sich das Lachen nur aus Rücksichtnahme auf seine in Tränen aufgelöste Frau verkneifen, welche wie ein aufgescheuchtes Huhn um die klatschnasse bibbernde Tochter, in einem ganz und gar ruinierten limonengrünen Festtagskleid, herum flatterte.
Alfa traute sich immer!


Silva in lumine lunae arcana est
Voll und rund hing der Mond am Himmel. Sein fahles Licht tauchte den dichten Wald in geronnenes Silber, ihm so etwas mystisches verleihend. Allein die Scheinwerfer des Autos, welches sich auf der holprigen Straße Richtung Pennington Hall schlängelnd seinen Weg suchte, zerfetzten den Eindruck einer entrückten Welt.
Alfa saß auf dem Beifahrersitz, ihre nackten Füße hatte sie auf dem Amaturenbrett abgelegt, so dass sie mehr im Sitz hing als saß. Die Zehen ihres rechten Fußes berührten die kühle Frontscheibe. Sie hatte das Fenster hinuntergekurbelt um den Rauch des Joints aus dem Fenster blasen zu können. Tat sie aber nicht immer. Ihr Blick war ein wenig der Welt entrückt. Lachend legte sie den Kopf in den Nacken, als Connor, der am Steuer saß, die Beiden auf dem Rücksitz ermahnte, sie sollten es blos nicht hier im Wagen miteinander treiben. Wild am rumknutschen war sie schon `Man Connor hab dich nicht so, komm mal runter.`, kam es von Tim, eher dieser sich weiter mit Dianas Brüsten beschäftigte.
Sie waren alle zusammen am See gewesen, waren splitterfasernackt hinein gesprungen. Kalt war das Wasser gewesen, obwohl es Ende August und damit Hochsommer war. Doch keinen hatte es gestört. Es war die perfekte Nacht gewesen. Rauchend und mit nassen Haaren hatten sie im Gras des Ufers gelegen und hinauf zu den Sternen geblickt. Wie viele das waren. Über Gott und die Welt hatten sie geredet, über ihre Träume und Hoffnungen. Ihre Pläne. Jetzt wo auch Alfa endlich mit der Schule fertig war, wollte sie ihr Leben und ihre Zeit nicht mit einer langweiligen Ausbildung vergeuden. Malerin wollte sie werden. `Klar, du sitzt ja auch nur still, wenn du nen Pinsel oder ein Stift in der Hand hast.`, hatte Connor gesagt und sie Miss Hummelhintern genannt. Was unfair war, weil sie sehr wohl auch ohne zu zeichnen still sitzen konnte. Wenn sie wollte. Oder stoned war.
Ihre Haare waren immer noch nass und das Kleid klebte ihr am Körper, weil sie es sich übergezogen hatte, als ihre Haut noch vom Wasser des Sees geglänzt hatte. Weil sie am Ende, als sie schon beschlossen hatten zu fahren, eben doch noch einmal in den See hatte springen müssen. Alfa zog nochmal an ihrem Joint, ehe sie diesen Connor reichte und sich leicht zu den beiden Turteltauben auf dem Rücksitz umdrehte. "Das ist der Wagen seines alten Herrn, Tim. Also beherrscht euch mal. Wenn der hier morgen Dianas Unterhose zwischen den Sitzen findet..." Wieder lachte sie. Das Leben war so leicht. Ihr war leicht. Ums Herz. Sie war sich sicher, dass sie fliegen könnte, wenn sie es jetzt nur versuchte.

Wenige Wimpernschläge später konnte sie froh sein, dass sie nicht durch die Windschutzscheibe flog. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein großer dunkler Hund, ein Schäferhund oder so, auf der Straße auf. Connor wollte noch bremsen, doch war er zu langsam. Das Tier wurde von dem Wagen erfasst und Alfa vom Aufprall nach vorn geworfen. Sie konnte sehen, wie der Hund über die Windschutzscheibe geschleudert wurde und hinter dem Wagen verschwand, welcher ins Schlingern geriet, ehe Connor ihn endlich zum Halten brachte. `Scheiße, man was war das?` "Du hast nen Hund überfahren." `Gott mein Vater bringt mich um, wenn dem Wagen was passiert ist.' Alfa schlug ihm mehrfach unsanft auf den Oberarm. "Dem Wagen? Dem Wagen, ja? Wir müssen nach dem Tier sehen, wir können es nicht so liegen lassen." Tim meldete sich von der Rücksitzbank. Sein Interesse an Dianas Brüsten war schlagartig abgeflaut. Er sah kreidebleich aus. `Du willst da jetzt nicht ernsthaft raus, Alfa. Was wenn der Tollwut hat, oder so? Fahr weiter Connor, lass uns abhauen.` Doch da hatte Alfa schon die Beifahrertür aufgerissen und war aus dem Wagen geklettert. Die Warnungen der Jungs ebenso ignorierend wie Dianas stetig gemurmeltes `Scheiße, scheiße, scheiße.' Leicht schwankend, lief sie barfuß die Straße hinunter bis zu dem Hund. Wüsste sie es nicht besser könnte man das Tier auch für nen Wolf halten. Aber es gab keine frei lebenden Wölfe mehr in Großbritannien. "Hey, Hund...alles okay mit dir?" Das Tier lag auf der Seite und rührte sich nicht. Seine Zunge hing aus seinem großen Maul. `Was ist mit ihm? Ist er tot?' Alfa zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht, Tim." Sie machte noch einen Schritt auf das Tier zu, ging neben ihm in die Hocke. `Man verdammt Alfa, komm wieder her.' Das war Connor. Er war inzwischen auch ausgestiegen, besah sich fluchend den Schaden am Auto. "Ich komm gleich.", rief sie zurück und streckte langsam ihre Hand aus, bis diese das dichte dunkle Fell am Hals den Tieres berührte. "Komm schon, sei nicht tot, ja!" Und als hätte der Hund ihre Worte verstanden, kam urplötzlich Leben in seinen Körper. Sein Kopf schnellte herum, sein Fang vergrub sich in Alfas Hand. Das Mädchen schrie gellend auf und wollte zurückweichen, landete dabei auf ihrem Po. Sie sah ihn noch wegrennen und im Wald verschwinden. Den Hund. `Alfa was ist los?` Connor klang besorgt und kam nun auf sie zu gelaufen. "Das Vieh hat mich gebissen. Dann ist es abgehauen." Sie lachte angespannt. "So ein Scheiß, echt."

Wieder im Auto sitzend besah sie sich ihre blutende Hand. `Damit solltest du zum Arzt, echt.` Sie schüttelte nur den Kopf. "Das ist nix. Ich bin ja geimpft." Gegen Tollwut. Tetanus. Das volle Programm. Und so wickelte sie sich einfach Dianas schmuckes Tuch, welches die Freundin um den Kopf gebunden getragen hatte, kurzerhand um die Wunde, als diese es ihr reichte. "Ist noch was von meinem Joint übrig? Ich könnte was gebrauchen, jetzt. Was für ne irre Nacht."

Wie irre die Nacht wirklich war, sollte sich allerdings erst knapp einen Monat später zeigen.
Als ihr altes Leben endete und ein neues begann.

Als der Mond abermals voll und rund am Himmel hing. Und sich ihre Augen zum ersten Mal in seinem Licht öffneten. Sehend.


Silva in lumine stellarum est
Sie. Sie war. Sie war hier. Einstmals hatte es dafür einen Grund gegeben, doch er war aus ihrem Bewusstsein entschwunden, verdrängt von einem Verlangen, dass so viel größer war. Weg. Nur weg. Wollte sie. Und konnte nicht. Allein tagsüber, wenn sie zusammengerollt in der hinterstes Ecke ihres Kerkers lag und schlief, gab es ein Entkommen. Dann flog sie im Traum über Feld und Flur. Hetzte durch Wälder, so dass ihre Pfoten in wildem Takt auf den weichen taufeuchten Boden trommelten, die Erde erbeben lassend. Und die Flanken ihrer Beute. Aus Furcht. Sie konnte es riechen. Süßlicher Duft, sich mit dem metallischen Geruch des Blutes in der Luft zu einem für sie sichtbaren silbrigen Band verwebend, welchem sie folgte. Wilde Jagd, die erst endete, wenn sich ihre Fänge in die Kehle der Beute vergruben, wenn heißes Rot ihren Rachen hinabrann und ihren Durst stillte. Ihren Hunger. Stotternd verstummender Herzschlag. Stockender Atem. Sie war die Jägerin des Mondes bis der Morgen erwachte. Labte sich am Fleisch der Beute, welches sie in großen Stücken begehrlich heraus riss, verschlang, während die Gedärme aus dem offenen Bauchraum quollen tiefere Organe freigebend. Sie vergrub ihre vom frischen Blut rot triefende Schnauze immer tiefer im leblosen Körper. Die besten Stücke waren ihr. Denn sie war. Wild und frei. Im Traum.
Doch irgendwann musste sie immer wieder aufwachen. Dann war sie nur noch. Wild. Von Freiheit keine Spur. Und der Geruch des Blutes, der dann in der Luft hing, war der ihres eigenen. Seit der Mond wieder zunahm, seit sein Ruf lauter und lauter wurde, Nacht für Nacht, hatte sie wieder begonnen auf und ab zu laufen. Auf dem glatten harten Steinboden zu kratzen. Bis ihre Pfoten bluteten. Weg. Nur weg. Ihr Blut kochte, raste durch ihre Adern, getrieben nicht nur von dem in ihrer Brust pochenden Herzen, sondern vom Mond. Er riss an ihr. Sang für sie und sie für ihn. Heulen in der Nacht, nichts anderes verkündend, als ich bin. Ich bin hier. Hier. Dabei wollte sie doch weg. Sie musste raus, laufen. Es blieb nur bei hin und her. Hin und her. Wildes Tier im Käfig. Nur um den Neumond herum fand sie etwas Ruhe. Doch je runder das Antlitz des Mondes wurde, desto höher stieg ihr Stresslevel. In der vergangenen Nacht hatte sie wieder begonnen ihr rechtes Hinderbein aufzulecken. Unermüdlich war ihre raue Zunge über das kurze Fell gefahren. Wieder und wieder über die gleiche Stelle, bis dort kein Fell mehr gewesen. Bis das Bein leicht angeschwollen und nässend war. Doch noch humpelte sie nicht. Spürte den Schmerz nicht. Weil ein anderer so viel größer war. Weg. Sie musste. Konnte nicht.
Ihre Ohren zuckten, als sie den Klang von Schritten vernahm. Einer Sie zog sich so weit zurück, wie sie es vermochte. Sich tief in die Ecke drückend. Verhasste Wände im Rücken. Besser so. Sicherer. Dicht an den Boden gedrückt. So kauerte sie. Wartete. Lauschte. Dem Echo der Schritte des sich Nähernden. Beute war es. Sollten es sein. Für sie. Und war es doch nicht. Verkehrte Welt. Sie hatte die Menschen fürchten gelernt. Ihre Macht. Über sie.

Die war.

Doch er, der kam. War anders. Er hatte ein schwaches Herz. Sie konnte das riechen. Konnte es daran hören, wie es in seiner Brust klopfte. Sie hatte seine Witterung schon lange erkannt eher er sich vor ihrer Zelle auf dem Boden nieder ließ. Den Blick gesenkt. Seit Monaten wieder kehrendes Ritual. So wie sein Singsang, sein leises Bellen. Ein Aneinanderreihen von Silben, bedeutungslos. Für sie. Manche wieder holten sich immer und immer wieder. Ist gut... und Subjekt 27. Al Ihr Hirn erfasste, dass sie mit diesen Lauten gemeint war. Angesprochen. Doch sie war. Wild. Und etwas Wildes hatte keinen Namen. Brauchte keinen. Ließ sich nicht rufen. Kein winziges Stück aus ihrer Ecke hätte sie sich auf ihn zubewegt, wenn er das Fressen nicht bei sich gehabt hätte. Speichel ran in ihrem Maul zusammen, als sie das Blut roch. Auch wenn es längst kalt war. Nicht frisch. Sie war. Hungrig. Sie wollte fressen. Doch er stellte den Napf nicht hinein und ging. Er blieb. Warf Bröckchen. Sie knurrte leise, fletschte ihre Zähne. Ihn mit ihren wasserblauen Augen fixierend schlich sie schließlich geduckt nach vorn. Zentimeter um Zentimeter, den Bauch fast am Boden. Den Körper leicht schräg, die Rute zwischen den Hinterläufen eingeklemmt. Die Muskeln ihrer Beine zitterten, von der Anstrengung sich in Zeitlupe zu bewegen und weil sie ständig schwankte zwischen vor und zurück. Anschleichen und Flucht. Und dann ging es ganz schnell. Sie schoß nach vorn, gerade so weit, dass sie den ersten Fleischbrocken schnappen konnte, um sich dann wieder zurück zu ziehen. In die Ecke. Schlucken. Verharren. Ehe das Spiel von vorn begann. Näher musste sie diesmal ans Gitter. Jedesmal näher. An ihn. Der saß. Reglos. Bellend. Inhaltslose Laute. Nichtssagend. Ihr. Dafür verriet ihr sein Körpergeruch und seine steigende Muskelanspannung, sehr fiel über ihn. Er wurde aufgeregter. Angespannter und direkt war auch sie auf der Hut, sich das letzte geworfene Fleischstück nicht holend. Weil sie eine Falle witterte. Für sie.

Die war.