Fenrir Greyback
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here come the wolvesFenrir Greyback ist die Schreckensgestalt, mit der Todesser ihresgleichen gefügig machen und man kleine Kinder zur Gehorsamkeit drillt. Denn wer nicht artig ist, muss fürchten, von dem skrupellosen Werwolf Fenrir Greyback verschleppt zu werden. Der 41-Jährige fühlt sich geschmeichelt, dass er eine solche Berühmtheit in der Zaubereigesellschaft geworden ist, dabei war das nie sein Ziel. Alles, was er will, ist eine große Familie um sich zu versammeln und ihnen ein Leben in Freiheit und ohne Stigmatisierung zu ermöglichen. Greyback lebt im Einklang mit seiner Werwolf-Seite wie kein anderer und dadurch ist er mittlerweile selbst als Mensch gefährlich: Kratzer und Bisse kommen mit Konsequenzen. Wer einen Blick auf sein Rudel wirft, in dem er als Alpha herrscht, wird feststellen, dass die Gerüchte stimmen und er es wirklich vorzieht, seine Kinder jung zu beißen, auch wenn er nicht alle kurz nach dem Biss zu sich holt, denn einige von ihnen haben wichtige Positionen inne, die am Ende Greyback und dem Rudel zu Gute kommen sollen.
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Wusstest du, dass... Jeder weiß, dass...
Freunde und Familie wissen, dass...
Wusstest du, dass...
Zivilist Greyback steht vor allem für eine Gruppe ein: die eigene. In den vergangenen Jahren hat er immer häufiger mit Todessern zusammengearbeitet, aber er würde sich ihnen niemals anschließen. Wieso auch? Er ist davon überzeugt, dass die Werwölfe die stärkste Gruppierung und Zukunft der magischen Bevölkerung sind, weil sie in seinen Augen nur mit zusätzlichen Vorteilen ausgestattet sind. Oder können normale Todesser sich einmal im Monat in eine tödliche, reißende Waffe verwandeln, derer selbst eigens einberufene Werwolffänger nicht immer Herr werden? Aber Greyback ist nicht dumm und er weiß, dass er die nächste Stufe nicht ohne Leiter erklimmen kann - und diese Leiter wird aktuell von Todessern gehalten. Ohne sie kommt er nicht weiter. Zumindest ihm ist klar, dass es sich nur um eine Zusammenarbeit auf Zeit handelt, weil sie gerade einen gemeinsamen Feind haben: die normale, magische Bevölkerung, die einem Fortschritt im Weg steht. Und Fortschritt bedeutet in Greybacks Augen, dass man die unnötigen, überalteten Sanktionen gegenüber Werwölfen auflöst und aufhört, sie wie Ausgestoßene und Geächtete zu behandeln. Die Sache ist die: Greyback tobt nur öffentlich über neue Regelungen des Ministeriums vor seinen Leuten. Er begrüßt sie nicht, ganz bestimmt nicht. Aber im Stillen hat er längst erkannt, dass die Entscheidungen des Ministeriums immer mehr und mehr Infizierte in den Untergrund jagen und dort wartet er auf sie, um sie aufzunehmen. So lange, bis es die Stärke einer richtigen Armee hat und ihn nichts mehr aufhalten kann. Weder der Minister noch ein Tom Riddle.
Familie Eltern: Vidar Grejsmark (1919-1952), Halbblut, Jäger/Selbstversorger Bonnie Grejsmark, geborene Maoileanach (1921-1954), Halbblut, Tochter eines Abraxaner-Züchters Das Verhältnis zum Vater war immer schon sehr angespannt. Fenrir wuchs in dem Glauben auf, dass er seinen Vater zu ehren und achten hatte. Was er sagte, war Gesetz. Widerworte wurden mit Schlägen und anderen Bestrafungen ausgetrieben, um den Jungen - den Ältesten des “Rudels”, wie sein Vater sie gerne nannte - hörig zu machen. Sexueller Missbrauch war ebenfalls Teil des Alltags des Jungen. Die Mutter nahm all das stillschweigend hin; trotz ihres fehlenden Eingreifens wurde Fenrir zu einem “Muttersöhnchen”, der abends häufig auf ihrem Schoß oder ihren Armen lag. Von ihr erhielt er Liebe und wohlwollende Worte, auch wenn sie grundsätzlich eine eher derbe Frau war. Rückblickend würde er sie als Löwenmutter bezeichnen, die ihre Familie vor allen Gefahren von außen beschützt hat - nur vor den Gefahren von innen hat sie die Augen verschlossen. Bonnie, so der Name von Fenrirs Mutter, hat durch ihre überstürzte Liebschaft zu dem “Ausländer” alles verloren und wurde von der Familie verstoßen. Sie wusste, dass sie nicht mehr zurück konnte und befand sich gleichzeitig in einer ungesunden Spirale aus Hass und Liebe zu dem Mann an ihrer Seite, der sie nicht immer gut behandelte, aber jederzeit wusste, wie er sie das nächste Mal mit Worten und Zuneigung bei sich halten konnte. Mehr als einmal hatte sie sich abends mit einem blauen Auge, gepackten Taschen und den Kindern an den Händen in der Dunkelheit davongemacht, nur um nach wenigen Minuten von Vidar eingeholt zu werden, der ihr versprach, sich zu ändern und ihr seine Liebe beteuerte - und sie glaubte ihm, ließ sich einlullen und blieb. Als Junge hatte Fenrir, wenn er tröstend von ihr im Arm gehalten und wie ein Neugeborenes geschaukelt wurde, immer wieder prophezeit, dass er seinen Vater eines Tages töten werde und dann würden sie weggehen, weit weg und er würde seine Mutter wieder Abraxaner kaufen und sie könnten züchten und viel Geld verdienen. Bonnie hatte nur gelacht, ihm grob die Wange getätschelt und gesagt: ’Wovon träumst du nachts, Fenrir? Unsere Schicksalsfäden wurden längst gesponnen und verwoben und keine dreckigen Finger dieser Welt können diese Knoten noch lösen.’ Geschwister: Agnes “Hati” Grejsmark (1938-1964), Halbblut Lene “Freki” Grejsmark (1941-1956), Halbblut Oliver “Geri” Grejsmark (1943-1956), Halbblut Fenrir wuchs mit drei jüngeren Geschwistern auf und stand dabei vor allem der ältesten Schwester - Agnes, von der Familie nur “Hati” gerufen - besonders nahe. Die beiden fungierten in der rauen Umgebung häufig als Ersatzeltern für die jüngeren Geschwister. Vor allem Hati gab sich aufopferungsvoll und war selten ohne ein kleines Geschwisterchen anzutreffen. Laut ihrer Mutter besaß sie eine “Bauernschläue”: obwohl Hati nie eine Schule besucht hatte, wuchs sie zu einer gerissenen, jungen Frau heran, die alles an Wissen in sich aufsog, das ihr auf ihren Reisen durchs Land begegnete. Hati war auch die Erste der Kinder, die lesen konnte und brachte es allen - auch Fenrir - mit stoischer Ruhe bei. Lene (Freki) und Oliver (Geri) waren zwar nur wenige Jahre jünger, doch der Altersunterschied stand wie ein deutlicher Graben zwischen Fenrir und den kleinsten Geschwistern. Er nahm sie nie sonderlich ernst, befürwortete sie und zeigte ihnen gegenüber in den ersten Jahren eine ähnliche Strenge, wie er sie von seinem eigenen Vater erlebt hatte. Freki wurde von den Eltern als “krank” betrachtet und war vor allem der Abneigung des Vaters ausgesetzt. Zur Welt kam das zweitjüngste Kind im Körper eines Jungen, trug aber häufig Mädchenkleider und schien der älteren Hati nachzueifern - so zumindest die Vermutung des Vaters, der seiner Tochter Hati und sogar seiner eigenen Frau vorwarf, dass sie zu viel Zeit mit dem kleinen Kind verbrachten und es “verwirrt” hätten. Fenrir, der das Verhalten des Geschwisterchens selbst nicht verstand, vermutete, dass Freki sich dadurch dem Interesse des Vaters entziehen wollte, musste aber nach dem Tod des Vaters feststellen, dass sich Frekis Verhalten nicht änderte und auch wenn er es bis zu Frekis Tod nicht verstanden hatte, konnte er es mit Hatis Hilfe zumindest hinnehmen. Er spricht nur mit ausgewählten Personen über seine Vergangenheit und die Familie, die hinter ihm liegt, berichtet dann aber stets von “zwei Schwestern und einem Bruder”. Nach seinem eigenen Biss und dem Tod der Eltern nahm Fenrir die Geschwister an sich und entschied sich, die zwei Jüngeren ebenfalls in Werwölfe zu verwandeln. Ursprünglich sollte Hatis Verwandlung zu einem späteren Zeitpunkt folgen, nachdem sie die Kleinsten gesund gepflegt und sich erholt hatten. Jedoch wurden sowohl Freki als auch Geri nach dem Angriff von Fenrir in Werwolf-Form zu stark verletzt, erholten sich auch nach aufopferungsvoller Pflege durch Hati nicht wieder und starben nur kurz nacheinander an den Folgen des Angriffs. Sie wurden nur 16 und 14 Jahre alt. Die Beziehungen zwischen Fenrir und Hati erholte sich nach diesem Verlust der Kleinsten nie wieder; sie hasste ihn bis zu ihrem eigenen Tod. Im Alter von 26 Jahren nahm sie sich das Leben, nachdem sie nicht verhindern konnte, dass er seine leibliche Tochter Livia verschleppte, um sie in einer Vollmondnacht zu verwandeln. Hati, die überzeugt war, dass das Kind das unmöglich überlebt haben konnte, nachdem sie die Verletzungen von Freki und Geri gesehen hatte, nahm sich noch in derselben Nacht das Leben, weil sie den Gedanken nicht länger ertrug, alleine mit Fenrir zu sein und sie wusste, dass er sie niemals gehen lassen würde, denn ihre Schicksalsfäden waren längst gesponnen und verwoben worden und keine dreckigen Finger dieser Welt könnten diese Knoten noch lösen. Ein Glaube, an den sich Fenrir festgebissen hat und an den er bis heute festhält, weswegen er in den meisten Fällen nur den Tod als Austritt aus seinem Rudel akzeptiert. Leibliche Tochter: Livia Grejsmark (*1956), Halbblut Der Werwolf-Angriff änderte nichts daran, dass Fenrir wie jeder Junge heranwuchs und ein hohes Interesse an Mädchen hatte und auch auslebte. Seine Narben wusste er gekonnt zu verstecken und sein Gesicht wurde von den Mädchen als schön empfunden. Wann immer sie in einer neuen Ortschaft Halt machten, lauerte er den dort ansässigen Mädchen auf, um sich mit ihnen zu vergnügen und sie auch regelrecht zu verführen; wenn sie sich ziemten und keusch bleiben wollten, brachte er sie mit seinem guten Aussehen, seinem verwegenen Charme oder einfach nur einer Reihe von Komplimenten dazu, früher oder später die Beine für ihn breit zu machen. Eine der Mädchen schwängerte Greyback damals - vielleicht waren es auch mehr, doch von dieser einen wusste er es, denn ihr Vater, ein einfacher Bauer, lauerte ihm auf und versuchte den jungen Fenrir zu töten, um die Ehre seiner Tochter wiederherzustellen. Das schwangere Mädchen wurde wiederum auf einen anderen Hof geschickt und sollte dort den Bastard zur Welt bringen. Fenrir verfolgte die Schwangere, folgte als Werwolf ihrer Spur, schaffte es aber lange Zeit nie nah an sie heran, weil die Geschichte über das Mädchen, das von einem Werwolf verfolgt wurde, unlängst auch Zauberer und Hexen in der Umgebung aufmerksam gemacht hatte. Trotz der Gefahr halfen sie ihr und eine Weile ging alles gut. Zwischenzeitlich sah es sogar danach aus, als ob Fenrir das Interesse an dem Mädchen und seiner mittlerweile geborenen Tochter verloren hätte. Der vermeintliche Friede machte die Leute unvorsichtig. Zuerst wurde die Muggel-Polizei, schließlich auch das magische Ministerium zu einem Hof gerufen, auf dem ein Massaker stattgefunden hatte, bei dem alle grausam getötet worden waren, wie die Presse im Nachgang berichtete. Nur ein kleines Mädchen, Livia, fehlte spurlos. Livia kam in die Obhut von Hati, die ein weiteres Mal als Ersatzmutter diente und in dieser Rolle auch vollends aufging. Fenrir behandelte Livia gut, setzte sich aber in den Kopf, sie früh zu verwandeln, damit sie von Kindesbeinen an ihre wölfische Natur annehmen konnte. Das Vorhaben wurde mehrfach verschoben, weil sich Hati ihm - vor allem nach dem Tod der kleinen Geschwister - immer häufiger widersetzte. Es ging so weit, dass Fenrir ihr damit drohte, dass er sie töten werde, wenn sie sich noch einmal zwischen ihn und seine Tochter stellen würde. Hati, die davon überzeugt war, dass der Biss das Todesurteil für Livia sein würde, wählte den Freitod, um einem Leben mit ihrem Bruder endgültig zu entkommen und sich von der Schuld zu lösen, dass sie dessen frühere Verbrechen und Morde nicht hatte verhindern können. Livia erholte sich - zu Fenrirs Überraschung - innerhalb weniger Monate von dem Biss, ganz ohne bleibende Schäden. Nachdem ihr gelang, woran seine Geschwister gescheitert waren, nahm er an, dass Livia durch sein infiziertes Blut einen Vorteil erhalten hatte, was wohl auch der Grund ist, wieso es in Greybacks Rudel Jahre später gleich mehrere leibliche Kinder gibt, die aber allesamt zu jung sind, um eine ähnlich tragende Rolle innezuhaben wie Livia. Die Verbindung zwischen Vater und Tochter ist äußerst innig. Livia verehrt Fenrir wie einen Gott, wie es auch viele andere Mitglieder des Rudels es tun. Durch ihre Sonderstellung als leibliche, anerkannte Tochter besitzt sie ein starkes Selbstbewusstsein. Er behandelt sie gut, hebt sie stets hervor und scheint ihr all die Liebe zu geben, die er einst für seine Geschwister im Herzen hatte. In Fenrirs Augen ist Livia perfekt und eine Werwölfin, die ihrer Art noch viel Ruhm bringen wird - auch nach seinem Tod hinaus. Er hofft, sie eines Tages mit einem seiner “Söhne” zusammenführen zu können, um die Nachfolge für das Rudel zu sichern. Bezug zur Umwelt Fenrir wuchs als Kind von zwei Halbblütern auf und auch in den Karawanen, in denen er sich in den ersten Jahren seines Lebens bewegte, hatte er selten bis nie Kontakt mit Reinblütern. Die Verbindung zu Muggeln war da viel enger und er begegnete ihnen ganz ohne Berührungsängste oder Vorurteile. In vielen Punkten ist er sogar davon überzeugt, dass sie mit ihren Erfindungen den Zauberern einige Schritte voraus sind, denn sobald man den meisten von denen den Zauberstab nahm, brachten sie nichts mehr zustande. Erst durch den Eintritt in Durmstrang wurde Fenrir darauf aufmerksam gemacht, dass es Familien und Kinder gab, die gewisse Abstufungen hinsichtlich des Blutstatus vornehmen. Im Zuge dessen musste er auch lernen, dass er als Halbblut mit ausländischen Wurzeln und ohne großen Namen nichts zu sagen hatte. Er hat versucht, diese Ansichten zu verstehen und weil es ihm unmöglich war, das zu tun, hatte Fenrir häufig das Gefühl, dass ihm wichtige Bestandteile zum Glauben an die Reinblutideologie fehlen. Denn war es nicht unübersehbar, dass es absoluter Humbug war? Zauberer und Hexen waren Zauberer und Hexen, ganz gleich welches Blut sie in sich hatten. Alle von ihnen konnten Magie wirken, je nach Talent mal besser und mal schlechter und in den seltensten Fällen hing die Begabung mit dem Blutstatus zusammen. Fenrir fand diesen Glauben an “besseres Blut” lachhaft und kassierte dafür die eine oder andere Abreibung in Durmstrang … welch Ironie, dass er nur wenige Jahre später selbst einem irren Glauben verfallen sollte. Womöglich hätte er nach dem Werwolfbiss nicht überlebt, wenn man ihm nicht eingeredet hätte, dass man ihm in dieser Nacht ein Geschenk gemacht hatte. Dass es ein Segen ist, dass er nicht “nur” mehr Zauberer war, sondern nun auch Werwolf. In den Jahren zuvor hatte sich keine konkrete Meinung zu Werwölfen bei ihm gebildet: sein Vater hatte ihn vor ihnen gewarnt, wie er ihn vor normalen Wölfen und Bären gewarnt hatte. Sein Wissen zu Werwölfen war oberflächlich und kaum existent, höchstens in der Schule wurde es vertieft, aber als Sohn eines Jägers war er pragmatisch und sah sie als normales Tier, wie es viele von ihnen in der wilden Natur gab. Und davon hasste er auch keines. Vermutlich war es die nackte Verzweiflung eines Kindes, das an der Schwelle zum Tod stand, dass er später alles glaubte, was man ihm zu den Werwölfen auftischte; Fenrir verschlang es gierig und sponn die irrwitzigen Luftschlösser weiter. Er ist unlängst davon überzeugt, dass Werwölfe die herrschende Rasse sein sollten, immerhin verfügen sie über zusätzliche Fähigkeiten, die sie mit Überlegenheit gegenüber normalen Zauberern und Hexen auszeichnen. Wieso also sollten sie sich unterdrücken lassen? Er glaubt fest daran, dass die strengen Gesetze und Sanktionen gegen die Werwölfe nur eingeführt wurden, um sie daran zu hindern, dass sich ihr volles Potenzial entwickeln kann, denn dann wären sie unaufhaltbar. Könnten sie sich frei bewegen und der ganzen Welt zeigen, wozu sie fähig sind, würde das am Ende die Zaubereigemeinschaft in eine Krise stürzen, die sich noch immer mit kindischen Diskussionen zu Blutreinheit aufhielten. Das ist wohl auch der Grund, wieso er anderen magischen Geschöpfen, wie beispielsweise Vampiren, mit gebührenden Respekt begegnet, denn auch sie sind der magischen Art weit überlegen und haben zusätzliche Fähigkeiten, die sie in der Rangordnung nach oben bringen sollten. Eben genau wie die Werwölfe. Aber keine Angst: So tolerant wie Fenrir sich gibt, ist er am Ende doch nicht. So hat sich sein Mitleid gegenüber Hauselfen längst in Verachtung verwandelt, weil er es nicht versteht, wieso sie sich ganz ohne Ketten unterwerfen lassen. Auch in ihnen sieht er ein mächtiges Potenzial und gleichzeitig eine Warnung: Wenn er nicht dafür sorgt, dass die Werwölfe sich durchsetzen, könnten sie eines Tages genau so wie die Hauselfen enden: erniedrigt und die Schoßhunde von reichen Zauberern und Hexen, die sie an der kurzen Leine halten. Von Geistern hält Fenrir nichts. Als Kind eines Jägers, wo der Tod ein täglicher Gast war, findet er es wichtig, dass es am Ende eines Lebens einen klaren Schnitt gibt. Jeder hat nur eine Chance auf Leben und sollte diese nutzen. Wer seine Chance verspielt, hat sein Recht zum Überdauern erst recht verwirkt. Geister sind für ihn die Überbleibsel von schwachen, gescheiterten Individuen. Muggeln begegnet er aufgeschlossen. Das liegt vielleicht daran, dass er lange genug engen Kontakt mit ihnen hatte und pflegte, bevor ihm unter anderem reinblütige Mitschüler Vorurteile einpflanzen konnten. Greyback sieht die Muggel nicht als Bedrohung, wie manche Zauberer und Hexen es tun. Er belächelt sie eher und würde sie mit unbeholfenen Kleinkindern gleichsetzen. Zwar können sie einige spannende Erfindungen vorweisen, sind interessante Gesellen und er verbringt gerne Zeit mit ihnen. Aber wenn es zum Kampf kommen würde, hätten sie keine Chance und das weiß Greyback auch - daher der Vergleich mit Kindern. Vermutlich würde er Muggel sogar vor Zauberern beschützen, wenn es zu einem gewalttätigen Konflikt käme, denn es wäre niemals ein ausgeglichener Kampf. Fenrir hat eine dezente Faszination für Seher, was vermutlich auch mit seiner Erziehung zusammenhängt. Sein Vater hat ihn mit alten Mythologien gefüttert und darin gab es häufig Seher, die in direkter Verbindung mit den Gottheiten standen, also ist er überzeugt, dass die modernen Seher ebenfalls wichtige Rollen einnehmen, sie schützenswert sind und man sich nicht mit ihnen anlegen sollte. Squibs begegnet er neutral. In seinem Rudel befinden sich Werwölfe, die einen Squib-Hintergrund haben: Kinder aus magischen Familien, die selbst mit gestohlenem Zauberstab in der Hand keine Magie wirken können. Aber das macht sie nicht besser oder schlechter als andere Mitglieder des Rudels. Von den Ammenmärchen, die rund um Squib herrschen, hat er als halbblütiger Zauberer nichts mitbekommen - er hätte darüber laut gelacht und einmal mehr einen Beweis bekommen, wie ängstlich und schwach die Zauberer und Hexen waren. Anfangs waren es nur Gerüchte, die sein Ohr erreichten. Geschichten, die er von anderen Werwölfen aufschnappte und in denen er von Büchern las. Die Käfigkämpfe der Werwölfe hielt Fenrir lange Zeit für Teil der Vergangenheit, bis er schließlich von der Arena in Wales erfuhr, die unter der Leitung der Rowles heranwuchs. Sie ist ihm ein Dorn im Auge und wenn sein Rudel groß genug ist - oder er womöglich sogar Unterstützung von Voldemort erhält - will er die Arena zerschlagen und die dort gefangenen Werwölfe befreien. Er will nicht nur ein Vater der Werwölfe sein, sondern auch der Sprenger ihrer Ketten. Noch ist ihm kein vernichtender Schlag gegen die Arena gelungen, aber bereits vor mehreren Jahren hat er eine Warnung an den Inhaber der gesendet: Ähnlich wie Greyback es bei Remus Lupin getan hatte, griff er auch in diesem Fall das Kind eines Widersachers an, um seine Botschaft zu übermitteln. Tory Rowle wurde zu einer Tochter und gleichzeitig zu einer wichtigen Informantin, die rechtzeitig Warnungen zu Jagden an Fenrir weitervermittelt, damit das Rudel in Sicherheit vor der Rowle’schen Arena ist. Das Labor von Damocles Belby ist ihm bekannt und Fenrir hegt eine andere Art von Hass dagegen, die aber nicht weniger gefährlich ist. Er weiß von den Experimenten, weiß von den Werwölfen, die dort hineingehen und ihre eigene Art verraten, als ob sie krank seien. Es grenzt an Blasphemie, etwas kurieren zu wollen, das in Greybacks Augen ein Geschenk und eine Gabe ist. Damocles steht auf einer ungeschriebenen Liste von Zauberern, die Greyback tot sehen möchte, weit oben. Er sieht ihn als Bedrohung für die eigene Art. Als jemand, der sich in Dinge einmischt, von denen er als Zauberer, als Außenstehender keine Ahnung hat. Der ein Problem kurieren möchte, das kein Problem ist, sondern nur von Zauberern und Hexen als solches proklamiert wurde. Die wahren Probleme der Werwölfe, wie die Arena oder die Regeln des Ministeriums - darüber sieht der vermeintliche Retter der Werwölfe hinweg, weswegen Greyback ihn kein bisschen respektiert. Fenrir kam irgendwo in den schottischen Highlands zur Welt. Ein genauer Name für den Ort, an dem er seinen ersten Atemzug vollzogen hat, existiert nicht oder war zumindest nicht wichtig genug für die Eltern, um es sich zu merken. Alles, was er von seiner Mutter weiß, ist, dass ein kalter Gebirgsfluss in der Nähe ihres Halts vorhanden gewesen war, denn als sie das Neugeborene mit zittrigen, geschwächten Händen hatte waschen wollen, sei er ihr in das eiskalte Wasser gefallen, ’aber der Tod wollte dich noch nicht, Fenrir, das Leben hatte doch erst angefangen, dich kennenzulernen’. In den letzten Jahren gab es nie einen Ort, an dem sich Fenrir länger als ein paar Monate aufgehalten hat, manchmal waren es auch nur wenige Wochen. Er hat - abseits von seiner Schulzeit - nie in einem Haus aus Stein gewohnt. Sein Zuhause ist die Karawane, die er selbstständig aufgebaut hat und die aus einer Reihe von Planwagen und alten Wohnwagen besteht. Einige von ihnen waren einst bunt bemalt - von den Kindern des Rudels, denen man damit ein Zuhause geben wollte, das für sie einladender erschien und mit denen man auch entführten, neu dazu gebrachten Kindern ein bisschen die Angst nehmen kann. Die Witterung hat die Farben längst verblassen lassen, aber die Runen und Bilder darauf sind noch immer schwach zu erkennen. Nicht alle leben in den hölzernen Wohnwagen, aber es gibt ausreichend magische und nicht-magische Zelte, um das wachsende Rudel zu beherbergen. In willkürlichen Abständen - Fenrir legt es fest, folgt dabei Bauchgefühl und Neuigkeiten aus dem magischen Volk - zieht die Karawane weiter. Nach Ringwood sind sie weitergezogen und befinden sich seit Ende November in Bolderwood, wo sie ihr Lager in den dichten Wäldern aufgeschlagen und magisch versteckt haben. Fenrir lebt selbst in einem hölzernen, gebogenen Wohnwagen, der so niedrig ist, dass er nicht einmal aufrecht darin stehen kann. Auf den ersten Blick gibt es nicht viel darin. Ein herunterklappbares Brett nahe des Eingangs, das ihm als Schreibtisch dient und mehrere angebrachte Bretter, auf denen sich wichtige Bücher oder gesammelte Artefakte aus den Häusern von Opfern befinden; in der Regel nimmt er sich immer eine Art Souvenir mit, vor allem, wenn sie ganze Familien auslöschen. Den Großteil seines Wohnwagens nimmt das große Bett ein, das von Wand zu Wand reicht und auf dem er sich mit seinen fast zwei Metern Körpergröße tatsächlich ausstrecken kann. Es ist übersät mit zahlreichen Kissen und Decken - die einzigen Farbpunkte in dem Wohnwagen und man bemerkt sofort, dass sie farblich nicht aufeinander abgestimmt sind oder zusammenpassen. Nur wenige wissen, dass jedes Kissen aus einem anderen Opfer-Haushalt stammt und Greyback behauptet, dass er die Herkunft noch immer tief in den Federn oder Stoffen riechen kann und er sie den jeweiligen Häusern zuordnen kann, die sie überfallen haben. Es gibt selten einen Abend, an dem er alleine in dem breiten Bett liegt. Häufig finden sich gleich mehrere, eingerollte oder an ihn gekuschelte Kinder dort wieder, häufig aber auch mehrere Frauen. Die Karawane verfügt über einen eigenen Wagen, in dem sich nur Bücher - allesamt aus Opfer-Haushalten “geliehen” - befinden und mit denen Greybacks Kinder weitergebildet werden, dabei können nicht einmal alle im Rudel lesen. Wie ein klassischer Vater liest er abends häufig aus einem der Bücher vor, wobei sich nicht nur die Kleinsten im Rudel um ihn sammeln, sondern auch Erwachsene. Ein weiterer Wagen enthält Kochutensilien und einen Muggel-Ofen, der mittels Holz bedient wird; Fenrir war das wichtig, weil nicht alle im Rudel den Umgang mit Magie gelernt haben, aber auch die Chance erhalten sollten, sich als Koch oder Köchin zu beteiligen. Tatsächlich kocht Greyback selbst gerne für das gesamte Rudel - in der Regel immer dann, wenn es Menschenfleisch von Opfern gibt, das weiterverarbeitet wird, denn als Sohn eines Jägers wurde ihm früh gelernt, dass immer alles von einem toten Tier verwendet werden soll. Fenrir hält sich entweder bei der Karawane im ländlichen Gebiet auf oder direkt im Herzen Londons, wo Mitglieder des Rudels verschiedene leerstehende Häuser bewohnen. Ihn selbst zieht es häufig nach London, um dort Geschäfte abzuschließen oder sich umzuhören, was in der magischen Bevölkerung vor sich geht. Das Leben auf dem Land und in der Karawane zieht er jedoch vor und sofern es ihm möglich ist, verbringt er jede Nacht dort, selbst wenn Termine in London anstehen. Fenrir war es grundsätzlich wichtig, dass sich nicht alle stets am gleichen Fleck befinden - die Vollmonde ausgeschlossen - um bei einem Übergriff des Ministeriums bessere Chancen zu haben, dass nicht alle geschnappt werden. Namensbedeutung Fenrir - ein Name, der in der Mythologie weit bekannt ist und zum berühmten Fenriswolf gehört, dem Erstgeborenen aus der Verbindung zwischen dem Gott des Schabernacks, Loki, und der Riesin Angrboda. Ist es ein böses Spiel des Schicksals, dass ein Kind mit dem Namen Fenrir schließlich zu einem gefürchteten Werwolf wird? Es sieht ganz danach aus, doch die Wahrheit ist eine andere: Der Name Fenrir entwickelte sich bereits als Kind zu einem Rufnamen für ihn, dominiert durch die Vorliebe des Vaters zu mythologischen Geschöpfen seiner Heimat, aber zumindest in den Augen seiner Mutter war er immer ein anderer. Zur Welt kam Fenrir unter dem Namen Viggo, der aus dem Altnordischen stammt und "Krieg" bedeutet. Mittlerweile gibt es kaum noch Menschen, die ihn unter seinem Geburtsnamen kennen und trotz der - zu ihm passenden Bedeutung - schmückt er sich unlängst mit dem Namen Fenrir, um damit vor allem seine wölfische Seite zu ehren und in den Vordergrund zu bringen. Sein ursprünglicher Familienname lautet Grejsmark und kam, gemeinsam mit seinem Vater, aus Dänemark nach Schottland. Es ist Fenrir nicht bekannt, wie im Laufe der Jahre aus Grejsmark schließlich Greyback wurde. Vermutlich ist es einer Reihe von sprachlichen und akustischen Missverständnissen, der damals noch sehr dänischen Zunge seines Vaters und dessen Versuche, ein integrierter Teil der neuen Heimat zu sein, geschuldet. Womöglich ist das auch der Grund dafür, dass das Ministerium ursprünglich keinen Zauberer unter dem Namen Fenrir Greyback finden konnte. Wirkung auf andere Ruhig und geerdet - zwei Wörter, die einem in den Sinn kommen, wenn man Fenrir Greyback das erste Mal sieht. Er verströmt eine Ruhe, die nur an den Rändern ausfranst und offenbart, dass dahinter etwas Größeres, Gefährlicheres lauert. Die Presse hat ihn zu einem Monster gemacht, mit dem die Menschen verschiedene Vorstellungen verbinden: laut und herrisch, gewalttätig und aggressiv sei er, heißt es. Kein Wunder also, dass alle, die neu zum Rudel dazukommen, nicht immer sofort erkennen, wer da vor ihnen steht, denn diese Eigenschaften sind entweder nicht vorhanden oder nicht erkennbar auf den ersten Blick. Er könnte nicht ferner von dem grollenden Monster entfernt sein, das als Teil von schaurigen Gute-Nacht-Geschichten den Kindern den Schlaf raubt. Es gibt Männer, die Autorität nur mit geballten Fäusten und Gebrüll an sich reißen. Und dann gibt es Fenrir Greyback, der sie mit kontrollierter Stimme, intensiven Augenkontakt und einer Seelenruhe an sich reißt. Charisma spielt hier eine wichtige Rolle. Er scheint ein natürliches Gespür dafür zu haben, wann er im genau richtigen Moment lächelt, um vernichtenden Worten den bitteren Nachgeschmack zu nehmen oder wann er eine Pause setzt, um seinen Aussagen Nachdruck zu verleihen. Nichts davon wurde ihm in die Wiege gelegt: Fenrir musste es lernen. Als Kind, das nie einen festen Wohnsitz hatte und immer wieder auf neue Menschen traf, erkannte er früher oder später, dass es gewisse “Abkürzungen” gab, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Um Mädchen hinter Scheunen zu locken oder Preise auf dem Markt zu drücken, manchmal auch nur, um eine Nacht mit seinem betrunkenen Vater zu überstehen oder die jüngeren Geschwister aus der Schusslinie zu bringen. Versuch und Irrtum - damit tastete er sich voran und Fenrir lernte schnell. Wenn ein Wort ein Mädchen, auf das er ein Auge geworfen hatte, verschreckte, ging er diesen Weg nicht noch einmal. Er testete Grenzen aus und lernte dadurch, welche Schritte sicher waren und ihn voranbrachten, auch wenn er für jeden Irrtum bezahlen musste. Auf den ersten Blick hält man ihn nicht für einen Zauberer. Noch so ein Irrtum, auch wenn der in der Regel von anderen Menschen begangen wird und vor vielen Jahren war das Ministerium darauf hereingefallen. Greyback ist jemand, der häufig Dreck an den Händen oder der Kleidung hat - Kleidungsstücke, die er ebenfalls durch den Kontakt mit Muggeln erworben hat, wodurch er in den Augen der Zauberer häufig sonderbar daherkommt. Eben nicht wie ein Zauberer, denn seine Hemden und Hosen stammen nicht aus den gefragten Läden der Winkelgasse oder sind mit magischen Kniffen versehen. Leinen und normale Stoffe, häufig mehrfach geflickt und das alles ganz ohne den Einsatz von Zauberei. Bunte, auffällige Farben sucht man vergebens: Brauntöne bestimmen alles und tragen dazu bei, dass er erschreckend normal wirkt, wenn man ihn flüchtig erblickt. Er ist niemand, der einen Raum betritt und einnimmt. Greybacks Wirkung entfaltet sich langsam. Er setzt sich in diesen Raum und nach und nach scheint sich alles zu verschieben, neu auszurichten und sich ihm zuzuwenden. So wie es selten bei einem flüchtigen Blick auf ihn bleibt und immer ein zweiter oder dritter Blick folgen und diese bleiben dann an ihm hängen und können sich nicht wieder lösen. Sei es, weil er seinen Charme oder Augenkontakt verwendet, um Aufmerksamkeit einzufangen und festzuhalten, bis er es ist, der sie wieder freigibt. Ist sein Interesse geweckt oder will er einen Menschen für sich einnehmen, hat Greyback die Begabung, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie all seine Aufmerksamkeit haben. Dass die Welt gerade nur aus der anderen Person und ihm besteht. Er gibt den Menschen das Gefühl, gehört und gesehen zu werden. Er versteht sie in einer Welt, in der alle anderen eine fremde Sprache zu sprechen scheinen. Damit gewinnt er vor allem verstoßene, abgewiesene Werwölfe, denen er eine Gemeinschaft bietet, die sie mit ihrer Infizierung verloren haben. Greyback ist geduldig, hört zu - und zwar richtig - und vergisst selten etwas von den Informationen, die man ihm anvertraut. Das liegt vor allem daran, dass er sich die Dinge, die man ihm mitteilt, häufig auch zu Nutze macht. Er ist fest davon überzeugt, dass Informationen ein wichtiges Gut sind, weil sie sich gewinnbringend weiterverkaufen lassen oder auch für die Werwölfe profitabel sein können, wie beispielsweise die Warnungen hinsichtlich der Werwolf-Hatzen, die von der Arena ausgeführt werden. Mit knapp 1,93 Metern ist Greyback alles andere als klein. Er sticht hervor. Seine Größe unterstreicht seine Rolle als Aufpasser und Vater, der sich schützend vor seine Kinder stellt und alles in seiner Macht stehende tut, damit es ihnen gut geht. Er trägt sein Haar häufig länger und auch sein Bart ist dicht; beides wächst ausgesprochen schnell, als ob die Werwolf-Gene den Haarwachstum beschleunigen. Fenrir stört sich daran nicht. Er hat warme Augen - das sagen zumindest viele im Rudel, die ihn schätzen und lieben. Erst wenn man erlebt, dass der Ausdruck in ihnen sich nicht ändert, wenn er davon spricht, Familien zu töten oder Kinder zu entführen, erkennt man, dass das Feuer in seinen Augen nicht da ist, um einen zu wärmen, sondern um zu verbrennen und zu zerstören. Hintergrund
Im namenlosen Nirgendwo in Schottland geboren, lag Fenrir Greyback schon von Anfang an ein Leben fernab der Zivilisation im Blut. Das Blut wurde dem Säugling in einem Bergbach vom Körper geschrubbt und die ersten Atemzüge die er nahm, waren die von unverbrauchter, frischer Landluft. Die Natur begrüßte ihn und er blieb bis in die Gegenwart fest mit ihr verwurzelt und ihr nie lange fern. Städte - vor allem Großstädte - hatten schon damals wenig Reiz für ihn, womöglich, weil ihm einfach die Erfahrung damit fehlte, um ihre Vorteile wirklich kennenzulernen. Er war das erste Kind von einem Paar, das ungebunden durch das Land reiste und dem fahrenden Volk angehörte, wenngleich sie die meiste Zeit unter sich blieben und nicht Teil einer großen Karawane waren. Hauptsächlich lag es daran, dass Fenrirs Vater ein - wie man es häufig nett umschrieb - “schwieriger Geselle” war, der dem Alkohol frönte, zu Gewaltausbrüchen neigte und in diesen Phasen weder Frau, noch Kind (später: Kinder) gut behandelte. Wann immer sie sich einer Gruppe anschlossen, ging es selten auf Dauer gut und Vidars aggressives, provokantes Verhalten sorgte dafür, dass sie früher oder später nicht länger geduldet waren. Fenrir blieb nicht das letzte Kind des Paares, hatte aber als Erstgeborener und Sohn eine Sonderstellung - wenngleich die für den Jungen nicht nur Segen, sondern auch immer häufiger Fluch wurde. Wenn Vidar zur Flasche griff, kam es zu Übergriffen; seine Mutter schritt nicht ein, sondern sah einfach weg. Obwohl sie ihn in solchen Situationen im Stich ließ, konnte er sie nicht verachten, denn sie war danach für ihn da und so wuchs er in dem Glauben auf, dass sie hilflos war und es gar nicht verhindern konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. In den darauffolgenden Jahren folgten weitere Kinder. Die Familie wuchs, blieb aber weiterhin unter sich. Soziale Kontakte wurden vor allem mit Muggeln gepflegt, mit denen verhandelt wurde und Geschäfte betrieben wurden. Fleisch und Felle wurden gewinnbringend weiterverkauft, im Sommer konnten gesammelte Beeren unter die Leute gebracht werden und die Frauen wurden unter anderem mit Hölzern, getrockneten Eichelkappen und Nüssen kreativ, um dekorative Artikel oder Schmuck herzustellen und ebenfalls zu verkaufen. Die Muggel ließen sich dafür begeistern, schätzten alles, was eindeutige Handarbeit und ein Unikat war. Die herumziehende Familie kam ihnen zwar sonderbar vor, aber dadurch, dass Fenrirs Mutter Schottin und somit eine Einheimische war, begegnete man ihnen deutlich weniger feindselig als anderen fahrenden Völkern, die aus dem osteuropäischen Raum kamen. Fenrirs erster Kontakt zu den Muggeln war dadurch von Anfang an neutral bis positiv. Im Jahr 1946 erhielt Vidar - mit reichlich Verspätung - Nachricht über den kritischen Zustand seines Vaters in Dänemark. Die Familie entschied sich, die Zelte abzubauen und in die Heimat von Fenrirs Vater zurückzukehren, wenngleich vor allem Fenrirs Mutter davon wenig begeistert war. Sie war eine Frau, die ihre Heimat sehr liebte und nicht von ihr getrennt werden musste, hatte aber hier keine Chance, sich durchzusetzen, weil Vidar ein lukratives Erbe witterte. Mittels illegal erworbenen Portschlüssel - Vidar hatte den Mann mit dem Portschlüssel in London ausfindig gemacht, ohne der Familie zu genaue Details zu nennen, aber ein kleines Kistchen mit Familienerbstücken und Schmuckstücken fehlte im Nachgang im Besitz der Familie -brach die Familie auf und ließ das aufgebaute Leben und die gepflegten Kontakte zurück. Vidars Vater war bereits mehrere Tage tot, als die Familie eintraf, was zu Spannungen unter der restlichen Familie in Dänemark führte. Vor allem, als sich Vidar offensichtlich mit deutlich mehr Interesse nach dem Testament erkundigte als nach den letzten Tagen seines Vaters. Es kam zum Zerwürfnis und nur wenige Tage nach der Beerdigung zog Fenrirs Familie weiter - die Taschen gefüllt mit Wertgegenständen (u. a. dem Zauberstab von Fenrirs Großvater, der später an ihn gehen sollte). Sehr zum Ärgernis seiner Mutter kehrten sie nicht nach Schottland zurück, denn sein Vater sah es als “Zeichen der Götter”, dass sie sie von dort weggeholt hatten, weil womöglich anderswo bessere Wälder, fettere Beute und wichtigere Erfahrungen für die Kinder warteten. Die Familie wagte daher einen Neustart in Skandinavien, was die Probleme zwischen Fenrirs Eltern vertiefte. Die Kinder rutschten näher zusammen, wurden eine eingeschworene Gruppe, konnten aber nicht verhindern, dass eines von ihnen immer wieder des nachts vom Vater gepackt wurde. 1948 kam Fenrir nach Durmstrang, auch wenn er das selbst nicht wollte, weil er sich um seine Mutter und die jüngeren Geschwister sorgte. Vidar bestand darauf, womöglich nur, weil er dann für einen längeren Zeitraum ein Maul weniger zu stopfen hatte. Die Schule war ein Kulturschock für den 11-Jährigen, der zum ersten Mal in seinem Leben in einem festen Gebäude aus Stein schlief und der durch unzählige Korridore und Etagen laufen musste, bis er an die Natur herankommen konnte. Fenrir mangelte es an bestimmten Manieren, wodurch er schnell gefundenes Futter für Sticheleien von reinblütigen Mitschülern war, die ihn gerne als “den Wilden” bezeichneten. Das lag vor allem daran, dass Fenrir jede freie Minute außerhalb der Einrichtung war, häufig verdreckt zurückkehrte und anfangs einen starken Akzent - eine wilde Mischung aus Dänisch und Gälisch, beides von den Eltern nachgeahmt und zu einem kuriosen Ergebnis vermischt - hatte, der es selbst englischsprachigen Mitschülern schwer machte, ihn auf Anhieb zu verstehen. Doch so sehr man ihn auch trat, verfluchte oder verspottete: Greyback ließ sich nicht unterkriegen. Das mussten schließlich auch seine Mitschüler anerkennen. Aus “dem Wilden” wurde ein “zäher Bursche”, den viele zwar nicht als engen Freund wollten, aber duldeten und teilweise auch respektierten. Fenrir zeichnete sich als mittelmäßiger Schüler aus, der nach seinem plötzlichen Weggang keine Lücke hinterlassen hat und auch seine Professoren haben seinen Namen danach schnell vergessen. Er stach nicht mit besonderen Begabungen hervor, höchstens mit Wissbegierde in dunkler Magie und einem Händchen für magische Geschöpfe, konnte aber nicht mit den Kindern aus besseren Häusern und Familien mithalten und blieb in ihrem Schatten. In den Ferien kehrte Fenrir stets in die verlassenen Winkel der Wildnis zurück, die seine Familie gerade als Heimat auserkoren hatten. Die Familie war nach wie vor in Skandinavien, obwohl sich nichts von Vidars Hoffnungen hinsichtlich des Neuanfangs erfüllt hatten. Durch Durmstrang veränderte sich Fenrir, er wurde gebildeter und im Vergleich zu seinem Vater und den Geschwistern auch feiner. Er ging aufrechter, sprach deutlicher, wurde kritischer und begann Dinge zu hinterfragen. Sein Vater wollte ihm die “Eitelkeit”, wie er es nannte, austreiben. Anfangs mit Schlägen, dann setzte er den Jungen alleine aus. Eine Nacht ohne Dach über dem Kopf würde ihn daran erinnern, wohin er gehörte und woher er kam, entschied Vidar und besiegelte damit das Schicksal seines Sohnes. Denn Vidar - wieder einmal betrunken - hatte den Zeitpunkt des Vollmondes verschätzt und ließ seinen Erstgeborenen ausgerechnet in einer solchen Nacht alleine und ungeschützt in der Wildnis. Als Fenrir seine Situation erkannte, versuchte er sich zu verstecken und suchte nach Stunden des Herumirrens nach einem Unterschlupf. Als er eine abgelegene Höhle fand, war er anfangs erleichtert über seinen Fund, aber diese Freude schlug schnell in Panik um, als er feststellte, dass ein Lager in der Höhle aufgeschlagen worden war und das kleine Lagerfeuer, das dort gebrannt hatte, noch immer glühte. Fenrir verließ diese Höhle in dieser Nacht nicht mehr und alles, was beim Versuch, sie zu verlassen, geschah, war in einem Nebel aus Schmerz und Fieber verschwunden. Der Werwolf, der ihn angegriffen hatte und als Mensch sein Lager in der Höhle aufgeschlagen hatte, stellte sich als Rumäne heraus, der aus seiner Heimat geflohen war, nachdem er dort - angeblich in purer Absicht - infiziert worden war. Der Rumäne versorgte die Wunden des jungen Fenrir, pflegte ihn und kümmerte sich bis zum nächsten Vollmond um ihn. In dieser Zeit pflanzte er dem halbtoten Kind manische, irre Geschichten über eine “Herrschaft der Werwölfe” ein, dass sie mit der Infizierung gesegnet worden seien und ihre Kräfte denen von Zauberer und Hexen weit voraus seien. Fenrir glaubte ihm, baute trotz des Angriffs Vertrauen zu dem Rumänen auf und musste mit Bitterkeit feststellen, dass dieser Fremde sich rührender um ihn im Krankenlager kümmerte, als sein leiblicher Vater es in all den Jahren je getan hatte. Er vertraute sich dem Rumänen an, dessen Namen er nie erfahren hatte, weil er ihn nicht offenbaren wollte. Der Rumäne teilte ihm mit, dass die Zeiten vorbei seien, in denen er Angst vor seinem Vater haben und sich ihm unterwerfen müsse. Vidar suchte in den Wochen unerbittlich nach seinem ältesten Sohn - oder nach seinem Leichnam, um ihn nach Hause zu bringen, wo seine Tat die gesamte Familie gegen ihn aufgebracht hatte. Sein Alkoholkonsum war aus schlechtem Gewissen gestiegen; wichtiges Geld der Familie gab er auf Märkten für selbstgebrannten Schnaps aus, um die Situation zu ertragen. Hatte er sein Kind wirklich auf dem Gewissen? Es war der nächste Vollmond, den Vidar sich mit einem Muggel-Gewehr erneut auf den Weg machte, bestimmte Gebiete zu durchqueren, in der Hoffnung, Fenrir zu finden - und das tat er auch. Gleich zwei Werwölfe warteten auf ihn und während der Jüngere sich, weiterhin geschwächt, anfangs im Hintergrund hielt, griff auch er an, nachdem eine Kugel den Schädel des angreifenden Rumänen erwischte und sich mit einem Schlag die angestauten Aggressionen von einem Jahrzehnt Wut, Ekel und Angst entluden. Vidar kehrte am nächsten Morgen nicht zum Wohnwagen der Familie zurück, dafür Fenrir, einen Siegelring des Rumänen in der Hosentasche als letztes Erinnerungsstück an ihn. Fenrirs Mutter Bonnie erkannte sofort, was er war und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Angst vor ihrem Sohn. Gleichzeitig sah sie aber auch ihre Chance, zurück in die Heimat zu kehren, jetzt wo Vidar weg war. Offiziell verschwunden - darauf hatten sich Mutter und Sohn stillschweigend geeinigt und die jüngeren Geschwister glaubten es, auch wenn Hati schon anfangs das Gefühl hatte, dass Fenrirs Rückkehr und das Verschwinden ihres Vaters zusammenhängen musste. Es dauerte ein paar Jahre und weitere Verluste, bis sie die Augen nicht länger vor der Wahrheit verschloss und die Puzzleteile zusammenfügte - und damit ein Monster als andere Seite ihres Bruders erkannte. Auch die jüngeren Geschwister wurden irgendwann in sein Geheimnis eingeweiht, aber er verkaufte es ihnen allen als Chance, dass er so besser auf sie aufpassen könnte und sie vor nichts mehr Angst haben müssten. Die Rückkehr nach Durmstrang war unmöglich, Fenrirs Mutter Bonnie versuchte es nicht einmal, sondern kehrte überstürzt mit ihren Kindern zurück nach Schottland. Die Infizierung ihres Sohnes sah sie als Krankheit, wollte sie nicht wahrhaben und versuchte sie zu verdrängen und sich einzureden, dass eine Rückkehr in die Heimat ihm helfen würde. Als würde man nur eine hartnäckige Lungenkrankheit mit frischer Bergluft kurieren müssen und alles war wieder gut. Aber diese Krankheit war anders und sie machte auch etwas mit Fenrir als Mensch, der noch immer von den Worten des Rumänen beflügelt war: dass er jetzt stärker und besser war. Seine Mutter schloss sich einer Gruppe vom fahrenden Volk an, vor denen sie Fenrirs Zustand fast zwei Jahre lang geheim halten konnten, weil er “zufällig” immer dann mehrere Tage alleine jagen ging, wenn der Vollmond nahte. Vermutlich hätte diese Taktik das Geheimnis noch länger gewahrt, wenn Bonnie sich nicht eines Tages ihrem neuen Partner anvertraut hätte, der auf die Idee kam, Fenrir damit zu erpressen. Ein fataler Fehler. Den nächsten Vollmond nutzte der Junge, um seinen Stiefvater zu töten. Er war sein Ziel, aber wie so häufig geschieht der Angriff eines Werwolfs nie ohne zahlreiche Kollateralschäden. Fenrir hatte keine Möglichkeit, mit ihm alleine zu sein - etwas, das Jahre später zu einer Art Vorliebe wurde, wenn er sich mit gezielt ausgewählten Opfern einsperren ließ - also hielt er sich in der Nacht des Vollmonds lediglich in der Nähe auf. Er wartete. Lauerte. Und gab schließlich dem Werwolf die Zügel in die Hand, der in den Angriff überging und dem Geruch der Menschen folgte, um zuzuschlagen. Eine Nacht, die blutig endete: Greyback tötete seinen Stiefvater, aber mit ihm auch weitere Menschen aus der Karawane, dienicht rechtzeitig die Flucht ergreifen konnten. Seine Mutter war ebenfalls darunter; zur falschen Zeit am falschen Ort. Fenrir begriff nicht einmal, wie gefährlich seine Angriffe auch für die Menschen werden konnte, die er nie gezielt ins Visier nahm. Seine Geschwister hätten in dieser Nacht auch ums Leben können. Etwas, das Hati wohl auch begriff, auch wenn sie alle rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte; die unter Schock stehende Schwester sagte immerzu nur Fenrirs Namen und gab damit den Überlebenden, die auf der Suche nach einem Schuldigen waren, den Hinweis, den sie benötigten hatten, um nach Monaten eins und eins zusammenzuzählen. Sie sträubte sich auch anfangs, mit ihm zu gehen, als er Tage später heimlich zurückkehrte, um seine Geschwister mitzunehmen. Fenrir tischte ihr und den Kleinen Lügen auf - grausame, widerliche Lügen rund um ihre Mutter, um damit vor ihnen zu rechtfertigen, dass ihr Tod etwas Gutes für sie war und damit Schlimmeres abgewendet wurde. Er habe nur so gehandelt, um sie zu schützen, redete er ihnen ein und die kleinen Geschwister glaubten ihm. Hati tat es auch, wenn womöglich mehr aus Angst statt echtem Vertrauen. Fenrir, gerade einmal 16 Jahre alt, bestand darauf, dass sie ihn “Vater” nannten - er war jetzt alles, was sie noch hatten und der Älteste. Derjenige, der den Ton angab und alles in seiner Macht stehende tat, um sie zu schützen. Er war der Alpha. Die Geschwister zogen nun wieder alleine mit Wohnwagen und Zelten durch das Land und verkauften alles, was sie im Wald zu Geld machen konnten. Blieben sie irgendwo für mehrere Wochen, halfen Hati und Fenrir häufig in den naheliegenden Dörfern in Haushalten oder auf Bauernhöfen. Der Junge war groß und kräftig, um mitanzupacken und das Mädchen putzte, wusch und schrubbte, ohne sich auch nur einmal zu beklagen. Von den Vollmond-Nächten erholte sich Fenrir immer schneller und besser; er ging Hand in Hand mit der Bestie in seiner Brust und sie beflügelte seine Genesung. Fenrir war mittlerweile zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen, der schon zuvor auf ihren Reisen die Aufmerksamkeit der einheimischen Mädchen geweckt hatte. Selbst wenn sie sich nicht immer auf ihn einlassen wollten, wusste er, was er sagen oder tun musste, damit sie sich doch seinem Willen beugten. Je jünger sie waren, umso leichter ließen sie sich von ihm beeinflussen. Eines der Mädchen schwängerte er schließlich, was ein wahres Familiendrama und einen Skandal im Dorf auslöste. Die Greyback-Kinder wurden fortgejagt und Fenrir wäre beinahe einem Gewehr zum Opfer gefallen, als der Vater des Mädchens ihn für die Entehrung seiner Tochter töten wollte. Das schwangere Mädchen selbst wurde in eine andere Ortschaft zu einem Hof geschickt, wo es bis zur eigenen Niederkunft als Kinderfrau arbeiten sollte, erst dann wollte die Familie über eine potenzielle Rückkehr nachdenken. Doch das Mädchen kam nie zurück. Der Gedanke, dass dort draußen sein Kind war, ließ ihn nicht los. Fenrir machte sich auf die Suche und als er sie fand, wartete er auf den richtigen Zeitpunkt, um das Kind zu sich zu holen. Da er Hatis Hilfe dazu benötigte, um das Neugeborene sicher nach Hause zu bringen, brauchte es eine sorgfältige Planung. Es sprach sich schnell herum, dass sich ein Mann im Dorf herumtrieb und als an aufeinanderfolgenden Vollmonden die dort lebenden Hexen und Zauberer auch einen Werwolf in der Nähe des Hofes sahen, fanden sie im Gespräch mit der dort ansässigen Familie heraus, wie die verschiedenen Beobachtungen zusammenpassten. Sie versicherten den Muggeln ihre Unterstützung, ohne sich als magisches Volk zu offenbaren. Fenrir jedoch roch in den Vollmonden die plötzliche Magie in der Luft und zog sich zurück. Er wartete. Wartete, bis sie sich sicher fühlten und glaubten, er wäre weitergezogen und hätte aufgegeben. Erst dann tötete er alle, die sich ihm in den Weg stellten - Muggel wie Zauberer. Die Kindsmutter starb und Hati rettete das Baby aus dem Massaker. Im selben Jahr entschloss sich Fenrir, dass es an der Zeit war, seine Familie zu stärken. Stärke verband er mittlerweile nur noch mit seiner Werwolf-Seite. Aus diesem Grund entschied er sich, die beiden jüngeren Geschwister zu verwandeln. Hati wurde vorerst ausgeklammert - sie sollte sich um Greybacks Kind, ein Mädchen, das er Livia taufte, kümmern und sie auch in den Vollmondnächten versorgen. Hatis Verwandlung sollte in ein paar Monaten oder Jahren folgen, versprach er, doch es blieb ein leeres Versprechen. Fenrir zog seinen Plan durch und verwundete die jüngeren Geschwister - junge Teenager, durch das Leben unterwegs und allein gestellt, zierlicher als Gleichaltrige - in einer Vollmondnacht. Ihr Zustand verschlechterte sich zusehends und innerhalb von drei Tagen nach dem Biss starben beide an den Folgen ihrer Verletzung. Fenrir selbst verweigerte die Aufsuchung eines Heilers. Der Tod der kleinen Geschwister sorgte für eine irreparable Beschädigung der Beziehung zwischen Fenrir und seiner älteren Schwester. Sie begann mehr und mehr zu sehen, was er war: ein Monster, das nur an sich dachte. Hati spielte fast täglich mit dem Gedanken, Livia zu packen und fortzulaufen, aber sie wusste, dass Fenrir sie finden und trotz ihrer Blutsverbindung töten würde. Im schlimmsten Fall würde dabei auch Livia sterben, die für Hati - vor allem in der Zeit der Trauer um die Geschwister - wie eine eigene Tochter geworden war. Es traf sogar das seltene Phänomen ein, dass Hati das Kind stillen konnte, obwohl sie selbst nicht schwanger war. Die Menge an Milch war zwar gering, das Stillen sorgte aber dafür, dass die Bindung der beiden nur noch stärker wurde. Fenrir, Hati und Livia wurden von Außenstehenden immer häufiger als Paar und Familie betrachtet und die Geschwister klärten die wahren Umstände nicht auf. In den darauffolgenden Jahren wurde Fenrir immer unruhiger. Er, der immer geträumt hatte, eine große Familie um sich zu haben und für sie ein liebevoller, schützender Vater zu sein - einer, den er selbst nie in dieser Form hatte haben dürfen - hatte nur Hati und Livia um sich. Der Werwolf trieb sich immer häufiger herum und ging in den Angriff über. Nicht primär um zu töten, sondern um Kinder zu sammeln, doch nicht jeder Biss ging gut aus und nicht jedes infizierte Kind fand den Weg zu ihm. Manchmal schienen sie wie vom Erdboden verschluckt und er fürchtete mit dem Schlimmsten: dass Familien oder das Ministerium selbst die infizierten Kinder tötete, um eine Ausbreitung zu verhindern. Fenrir wurde in diesen Jahren langsam aber stetig zum Gesprächsstoff und zur Sorge des Ministeriums, auch wenn damals noch niemand seinen Namen kannte oder wusste, wer er abseits des Vollmonds war. Es war nur bekannt, dass ein aggressiver, großer Werwolf immer häufiger Kinder verschleppte und verletzte; die Geburtsstunde von Schauergeschichten, in denen sich in den darauffolgenden Jahren auch der Name “Fenrir Greyback” einschlich. Im Jahr 1964 - Livia war mittlerweile ein Kind von neun Jahren - entschloss er sich, sie zu beißen. Gegen den Willen von Hati, die versuchte, ihn zu hindern, aber es nicht aufhalten konnte, dass er das Mädchen verschleppte. Hati war davon überzeugt, dass Livia das gleiche Schicksal ereilte wie die kleinen Geschwister. Sie ertrug den Gedanken nicht, einem weiteren geliebten Menschen beim Sterben zuzusehen. Und was dann? Sie konnte nicht alleine mit Fenrir bleiben, das wusste sie. Im Affekt beging sie in ihrer Verzweiflung in der Vollmondnacht Suizid. Doch Hati hatte die Kräfte von Livia unterschätzt: Das Mädchen überlebte und erholte sich gut von der Verletzung. Damit wuchs in Fenrir der Glaube, dass leibliche Kinder wohl durch seine Infizierung beim Zeitpunkt der Zeugung schon einen gewissen Vorteil haben. 1965 wurde Greyback nach Jahren des Herumwilderns, des Mordens und Infizierens erstmals vom Ministerium festgenommen und ins Gamot gezerrt. Es war das erste Mal, dass sein Name in einer Akte auftauchte und fortan würde er von Mund zu Mund wandern und Leute das Fürchten lehren. Doch an diesem Tag im Ministerium war es ihm möglich, die anwesenden Mitglieder in die Irre zu führen. Fenrir gab sich als Muggel aus und konnte sie täuschen. Nur einer blieb skeptisch: Lyall Lupin, der eine wahre Tirade gegen Werwölfe losließ … und in der Sekunde konnte Fenrir spüren, wie der Werwolf unter seiner Haut die Zähne fletschte und auf Rache sinnte. Greyback war es möglich, zu entkommen, bevor das Gamot den vermeintlichen Muggel mit Vergessenszauber zurückbringen konnte. Bereits beim nächsten Vollmond musste Lyall Lupin erkennen, dass es ein Fehler gewesen war, ein Monster wie Fenrir Greyback und andere Werwölfe so deutlich zu diffamieren: Greyback brach im Haus der Lupins ein und biss Lyalls einzigen Sohn - Remus Lupin. Nun hatte das Ministerium einen Namen zu dem gefürchtetsten Werwolf des Landes: Fenrir Greyback. In den darauffolgenden Jahren sammelte Greyback ein Rudel um sich; den zahlreichen Zeitungsberichten und der unerbittlichen Suche des Ministeriums verdankte er, dass er plötzlich zur Anlaufstelle der Werwölfe wurde und man ihm vertraute und bei ihm sein wollte. Jahr für Jahr wurde die Gruppe größer. Fremde Werwölfe schlossen sich an und auch jene, die Jahre zuvor von Fenrir gebissen worden waren, folgten dem stummen Ruf ihres Vaters, um mit ihm wiedervereint zu sein. Er nutzte sein Charisma, um auch Hexen, die nicht gebissen worden waren, ins Rudel zu holen, um mit ihnen Kinder zu zeugen oder ihnen andere Aufgaben zu geben, zum Beispiel die nicht-infizierten Kinder in Vollmond-Nächten zu umsorgen. Greyback nannte das Rudel bewusst Familie, um den Zusammenhalt zu stärken und predigte auch eine vermeintliche Gleichstellung der Familienmitglieder, auch wenn bei näherer Hinsicht deutlich ist, dass einige - unter anderem Greyback als Alpha - besondere Positionen einnehmen. Muggel, die das Rudel betrachten würden, würden es mit einer Art Sekte vergleichen, in deren Mitte sich Greyback befand. Ähnlich der Kommune, die der Mörder Charles Manson fast zeitgleich um sich herum geschaffen hatte. Die Verbindung zwischen Werwolf und Zauberer - zwei Seiten einer Medaille, zwei Seiten in einem Körper - wurde im Laufe der Jahre immer stärker. Greyback beugte sich seiner neu-erlangten Natur, statt dagegen anzukämpfen, was der Werwolf wohlwollend bemerkte. Es gab keine inneren Kämpfe der beiden Seiten, kein dagegen ankämpfen in den Vollmondnächten, sondern ein Miteinander, bei dem der Werwolf am Ende immer das letzte Wort bekommen würde. Dieser Einklang ist wohl auch der Grund, wieso der Werwolf hinhört, wenn der Mensch spricht. Nicht in der Vollmondnacht an sich, wenn die Zeit des Wolfes gekommen ist. Sondern in den Stunden vor der Verwandlung. In den Minuten und Sekunden, bevor der Schmerz in den Gedanken aufflammt und alles andere verdrängt. In diesen flüchtigen Momenten, in denen der Schleier zwischen den beiden hauchdünn erscheint, wiederholt Greyback immerzu den Namen seines ausgewählten Opfers wie ein Mantra, ruft sich das Bild klar und deutlich vor Augen - als würde er ein Foto an eine Pinnwand pinnen, bevor er den Raum verlässt und ihn dem Werwolf überlässt. Oneshot: the belly of the beast Klonk klonk klonk. Das Hämmern gegen die Fenster war so laut, dass es schwer war, einen klaren Gedanken zu fassen. Es gab nur kurze Pausen, in denen nach frischen Nägeln gegriffen wurde, um sie ins Holz zu treiben und obwohl das jetzt schon über eine Viertelstunde so ging, zuckte der alte Mann jedes Mal aufs Neue zusammen, wenn das Klonk klonk klonk nach jeder kurzen Pause erneut ertönte. Nicht nur er. Auch seine Frau, die ihm gegenüber am gedeckten Abendtisch saß, zitterte. Das tat sie nicht nur dann, sondern die ganze Zeit über. Während dem Klonk klonk klonk und den Pausen. Das Einzige, was sich unterschied, war, dass sie mal ihre Augen geschlossen hatte, mal sie öffnete und auf ihn richtete. Und er sah nur sie an, auch wenn an diesem heutigen Abend nichts von ihrer üblichen Schönheit zu erkennen war. Ihre verweinten, aufgequollenen Augen traten leicht hervor und kleine Äderchen waren in dem milchigen Weiß geplatzt, wie es immer passierte, wenn sie unter Stress stand. Ihre Lippen zitterten und bebten, aber sie sagte nichts. Sie starrte ihn nur an, zittern und verängstigt und die Hände flach auf die Tischplatte gelegt. Das Essen auf ihrem Teller - Kartoffelbrei und eine dicke Scheibe Blutwurst - war längst kalt geworden. Klonk klonk klonk. Die alte Frau kniff wieder die Augen zu und ein Winseln lag irgendwo tief in ihrer Kehle, fand aber nicht den Weg nach draußen. Sie zitterte und wimmerte und als sie die Augen nach ein paar Sekunden wieder öffnete, waren da noch mehr Tränen darin und ihm blieb nichts anderes übrig, als es zu ertragen. Das Licht im Raum veränderte sich. Verrutschte. Wurde spärlicher. Es lag nicht alleine daran, dass der Abend anrückte, sondern auch an dem Klonk klonk klonk. Die Bretter, die von außen gegen Fenster genagelt wurden, sperrten das schwächer werdende Tageslicht aus. Der alte Mann versuchte den Kopf zur Seite zu drehen, um einen Blick auf das Fenster zu werfen, das rechts von ihm gerade mit langen Holzbrettern verschlossen wurde, aber es ging nicht. Die Muskeln in seinem Nacken waren wie erstarrt, sein Körper gehorchte nicht. Er sah den jungen Mann nicht, der vor einigen Minuten angefangen hatte, sie hier einzuschließen, Fenster für Fenster. Alles, was er sah, war der breite Streifen Licht, der sich über den gesamten Tisch zog. Staubpartikel schwirrten schwerelos durch die Luft und sahen aus wie kleine, sich bewegende Risse im hellen Strahl. Mit jedem Klonk klonk klonk wurde das Licht auf ihrem Tisch kleiner und kleiner, bis es komplett verschwunden war. “Robert Louis Stevenson.” Der alte Mann zuckte zusammen, soweit seine erstarrten Muskeln das zuließen. Er hatte sich so sehr auf die Bretter und den Jungen vor dem Fenster konzentriert, dass er den Mann im Inneren des Hauses vergessen hatte. Seine Frau wimmerte erneut und er sah ihr tief in die Augen, bevor er den Blick über ihre Schulter schweifen ließ und in den Schatten am anderen Ende des Raums die vage Bewegung ausmachte. Der hochgewachsene Mann mit den langen, dunklen Haaren und seinem braunen Pullover war fast gänzlich von der Dunkelheit verschluckt worden. Er trat mit einer seltsamen Ruhe aus ihr heraus und kam mit ein paar Büchern in den Händen zu ihnen zurück an den Esstisch. Klonk Klonk Klonk. “Meine Mutter war großer Fan von Stevenson”, sagte der fremde Mann und hob mit der rechten Hand eines der Bücher hoch, um seinen Fund zu präsentieren, indem er das Cover so drehte, dass der Alte es lesen konnte: Der Seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Der Fremde gab ein Geräusch von sich, halb Lachen halb Schnaufen. “Sie mochte alle schottischen Autoren. Aber wehe dem, der ihr ein Buch von einem Engländer in die Hand gedrückt hat. Dann konnte man froh sein, wenn sie nur gespuckt hat. Ich habe mal gesehen, wie sie einem Mann den Zeigefinger gebrochen hat, nur weil er Dickens vor ihr lobte.” Er verzog den Mund zu einem Lächeln und seine Zähne blitzten auf. Ein kalter Schauer lief über die Wirbelsäule des Alten und für den Bruchteil einer Sekunde hatte er damit gerechnet, es sich nur eingebildet zu haben, aber als das Grinsen des Fremden überdauerte, sah er es klar und deutlich: mehrere seiner Zähne waren seltsam geschärft, sodass sie nicht mehr menschlich aussahen, sondern eher an die Klauen eines Wildtieres erinnerten. Eines Wolfes. Der Fremde schloss den Mund wieder und legte das Buch auf einem Stapel Bücher ab, der bereits auf dem Tisch thronte und mit den neuen Funden noch einmal deutlich herangewachsen war. Lexika waren darunter; Bücher, die sonst nur im Regal verstaubten, aber der Fremde hatte großes Interesse daran gezeigt und ein paar ausgewählte Buchstaben eingesammelt. Beim Buch mit dem goldenen Letter W auf dem Buchrücken hatte er sich sogar die Zeit genommen, es noch vor dem Regal aufzuschlagen, nach etwas zu suchen und es dann mit einem amüsierten Grinsen zu lesen. Geräuschvoll hatte er es zugeschlagen und ein “Allerliebst” gemurmelt. Klonk Klonk Klonk. Das Licht im Raum war nun fast vollständig weg. Der Fremde schien sich dessen auch bewusst zu sein. Er hob die Hand, machte eine wegwerfende, wedelnde Bewegung in der Luft und mit einem Mal sprangen die Lampen über ihren Köpfen an. Ohne Pause trat er wieder näher heran und hob noch ein Buch hoch, das er bis eben an die Brust gedrückt hatte. “Das hier werde ich auch mitnehmen”, sagte er, hob es hoch und drehte es so, dass der Alte es wieder sehen konnte. Ein Kinderbuch mit Reimen über Vögel und Waldtiere. “Für die Kinder”, sagte der Fremde und legte es auf den Stapel. Für die Kinder - das hatte er schon vorhin bei den Lexika gesagt, als er sie eingesammelt hatte. Für die Kinder. Damit sie lernen. Klonk Klonk Klonk. “Es wird sie sicherlich freuen, zu wissen, dass die Bücher in guten Händen sind. In weitaus besseren.” Er strich mit den Fingern über das Cover des obersten Buchs auf seinem Stapel und unter einer dünnen Staubschicht kamen die Farben greller und stärker zum Vorschein, als ob seine Fingerspitzen sie mit Pinselstrichen darauf gemalt hatten. Die alte Frau begann erneut hörbar zu wimmern und ihr Mann sah sie kurz an, ebenso wie der Fremde. Sie kniff die Augen zusammen, um jedem Blickkontakt auszuweichen; sie hätte das Gesicht abgewandt, wenn sie gekonnt hätte, aber es ging ihr genau wie ihrem Mann: ihr Körper gehorchte nicht. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Augen fest zusammenzudrücken, während das Schluchzen in ihrem Hals zu einem dicken, festen Kloß heranwuchs, der sie zu ersticken drohte. Der Fremde musterte sie stumm, dann klopfte er mit den Fingerknöcheln gegen den harten Einband von Dr. Jekyll und Mr. Hyde und ließ die Hand, locker zur Faust geballt, darauf ruhen. “Das kleine Mädchen, das die letzten Tage bei euch war - wo ist das heute?” Er fragte so unverfänglich, fast freundlich, als ob er sich nach dem Wetter erkundigte, aber da war etwas in seinem Blick, das dem Alten einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Stumm starrten sie einander an, bis der Fremde ein “Ah” verlauten ließ und eine Bewegung mit der Hand vollzog, als ob er eine Fliege vertrieb. Im nächsten Moment spürte der Alte ein Kribbeln in den Lippen - er konnte den Mund wieder öffnen. Wie ein Fisch an Land schnappte er erst nach Luft, bevor er seine Stimme fand. “Sie können das Geld haben”, sagte der Alte rasch und die Worte kratzten in seinem Hals, als ob er schon länger nicht mehr gesprochen hatte. “Es ist oben. Ich hol’s.” “Das war nicht meine Frage.” Der Alte schluckte. “Sie’s nicht da. War sie, ja, war sie. Jetzt nicht mehr.” Er schluckte wieder und sah kurz zu seiner Frau. “Kommt auch nicht mehr”, schob er mit Nachdruck hinterher, aber die Lüge war zu offensichtlich. “Ach.” Der Fremde lächelte, aber seine Augen blieben kalt. “Ich kann’s holen - das Geld. ‘s nicht viel, aber alles was wir haben. Sie können’s haben. Alles. Wir sagen’s auch niemandem, wenn Sie -” “Euer Geld interessiert mich nicht”, unterbrach ihn der Fremde und atmete zischend ein. Er schloss kurz die Augen und bewegte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen. Einen Moment geschah nichts, dann sagte er: “Es ist jetzt ohnehin zu spät.” Ein kratzendes Geräusch irgendwo rechts von sich ließ den Alten zur Seite blicken und zwischen den Spalten der verriegelten Fenster blickten zwei Augen ins Innere des dämmrigen Hauses. “Vater”, hauchte der junge Mann, der unmöglich das Kind des Fremden sein konnte, “es ist soweit.” “Ich weiß”, erwiderte dieser und drehte das Gesicht zum Fenster. Wieder lächelte er, aber dieses Mal erreichte es seine Augen und der Alte atmete erschrocken ein und hielt unbewusst den Atem an: Hatten seine Augen vorhin schon so … so anders ausgesehen? Ein Feuer schien in ihnen zu glühen. Eine grelle Flamme, die dem Alten vorhin noch nicht aufgefallen war, aber jetzt, wo er sie bemerkt hatte, konnte er das Gesicht nicht mehr abwenden. “Geht”, wies der Fremde den Jungen an. “Sucht die Umgebung ab. Ich schließe zu euch auf, wenn ich fertig bin.” Wenn ich fertig bin. Von draußen ertönten ferne Rufe: die Stimme des Jungen und dann ein Echo seiner Worte, aus den Mündern vieler. Der Alte riss seinen Blick doch noch einmal von dem Fremden weg und sah zum Fenster. Die Augen waren verschwunden, aber er konnte nichts von draußen sehen, nur dass es mittlerweile fast komplett dunkel geworden war. Als er schließlich den Kopf zur Seite drehte, bekam er noch vage mit, wie der Fremde erneut eine Bewegung mit der Hand machte und in der nächsten Sekunde schnellte der Kopf des Alten mit voller Wucht gegen den massiven Holztisch. Alles wurde für einen Moment pechschwarz. Schmerz explodierte in der Mitte seines Gesichts und Eisengeschmack breitete sich in seinem Mund aus. Jeder seiner Sinne schien sich so auf den pochenden Schmerz zu fokussieren, dass er erst - wie zeitversetzt - Sekunden später hörte, dass seine Frau nun schrie, richtig schrie. Der Fremde hatte ihr ihre Stimme ebenfalls zurückgegeben. Sei still, wollte der Alte sagen, sonst nimmt er sie wieder weg. Langsam hob er den Kopf, versuchte es zumindest. Sein Blick hing eine gefühlte Ewigkeit über dem zerbrochenen Teller nur wenige Zentimeter unter seinem Gesicht: die weißen Scherben waren von einem Film aus Blut und Speichel überzogen und die kleine Pfütze wurde immer größer, denn er konnte den Mund nicht schließen. Blut tropfte heraus. Dunkel und dick. “Ihr habt eine Tochter.” Die Stimme des Fremden kam immer näher. “Bitte nicht, bitte bitte nicht.” Die Frau des Alten. Sie weinte und flehte und wimmerte und für einen Moment fürchtete der Alte, man würde ihr etwas antun, weswegen er sich anstrengte, den Kopf zu heben. Als es ihm gelang, stellte er fest, dass der Fremde nun direkt neben ihm stand und der klagenden Frau keinen einzigen Blick schenkte. “Sie hat sich vor kurzem in sehr”, die Mundwinkel des Fremden zuckten in einem Grinsen, “sehr positiven, überschwänglichen Worten zu den neuen Werwolfgesetzen im Tagesprophet geäußert. Sie haben davon sicherlich einmal gehört”, sagte er. “Das ist die Zeitung, die in allen magischen Haushalten landet. Jeder liest sie. Jeder hat diese Begeisterung für ein Verbrechen gegen unsere Art gelesen und denkt nun, dass es akzeptabel ist, denn wenn es in der Zeitung steht, wird es wohl stimmen, nicht wahr? Es wird in Ordnung sein. Eine gute Sache." Mit jedem Wort war seine Stimme kalt wie Stahl geworden. Stahl, der Fleisch öffnete. Stahl, der Senen zertrennte. Der Fremde stellte ein Bild auf den Tisch und drehte es so, dass der Alte es sehen konnte. Es war ein Familienfoto, auf dem das alte Ehepaar auf einer Holzbank vor dem Haus saß. Aufgenommen im letzten Sommer. Die kleine Enkeltochter saß zwischen ihnen und präsentierte mit einem breiten Grinsen eine Zahnlücke oben in der Mitte. Hinter der Bank stand eine jüngere Frau im Sommerkleid und strahlte in die Kamera. Der Alte kannte das Bild und sah es nicht länger an, sondern blickte nun mit offenem Mund zu dem bärtigen Mann auf und mit einem Mal ergab alles einen Sinn - alles. Was er sagte. Wie er sich gab. Wieso er hier war. Werwolf. “Meine Kinder haben mir gesagt, dass sie sich hier mit ihrer Tochter verstecken soll, aber scheinbar kamen wir zu spät.” “‘s nimmer da”, nuschelte der Alte undeutlich und schnell und Blut tropfte von seinem Kinn. “Ahhlle weg.” “Sie sind gestern gegangen”, meldete sich nun seine Frau zu Wort. Das war nicht einmal gelogen. “Wir wissen nicht, wo sie hin sind - ich schwöre es, bei Morgana, es ist die Wahrheit!” Das schon. Der Fremde steckte die Spitze des Zeigefingers in das dickflüssige Blut auf dem zerbrochenen Teller und drückte es auf die Gesichter auf dem Bild. Zuerst ein roter Fingerabdruck auf dem Gesicht des Alten. “Bitte”, keuchte dieser und schluckte; ihm wurde schlecht, als das Blut seine Kehle hinablief. Ein roter Fingerabdruck landete auf dem Gesicht seiner Frau auf der Fotografie. Er verstand und flehte: “Meine Frau - lassen’s meine Frau gehen.” Der Fremde hielt kurz inne und schien ernsthaft über die Bitte nachzudenken. Und dann, fast heiter, sagte er plötzlich: “Okay.” Seine Hand bewegte sich in ihre Richtung und mit einem Mal kehrte Leben zurück in ihren Körper. Sie konnte aufspringen und das tat sie auf, trotz all der Schmerzen, die sie sonst bei jedem Schritt plagten. Sie stolperte über den umgefallenen Stuhl, kämpfte sich wieder hoch und zog sich an eine Wand des Zimmers zurück, wo sie zitternd und bebend stand und zu ihnen herüber blickte. Sie hätte weglaufen können. Wieso tat sie das nicht? Wieso blieb sie mit ihnen im Raum? Der Fremde tauchte die Fingerspitze erneut ins Blut und drückte sie ein letztes Mal auf das Bild. Als er die Hand zurückzog und sich vom Tisch wegdrehte, sah der Alte, dass der Kopf seiner Enkeltochter hinter einem blutigen Fleck verschwunden war. Er spürte eine Kälte, wie er sie noch nie zuvor in seinem Leben vernommen hatte. “Ich kann mit ihr reden”, sagte er rasch. “Sie kann’s rückgängig machen, ja, das kann sie, das kriegt sie hin. Sie schreibt’s neu.” Der Fremde stieß ein trockenes Lachen aus und - womit der Alte nicht rechnete - zog seinen Pullover über den Kopf und warf ihn auf den Tisch zu den Büchern. “‘You can’t unring a bell’ - das war es, was mein Vater immer sagte.” Der Fremde strich das lange Haar nach hinten. Das Lächeln verschwand von seinen Lippen und wieder dehnte er den Nacken mit kreisenden Bewegungen. Er zog sich die Schuhe aus. Alles davon geschah mit einer gespenstischen Ruhe. Der Alte hörte nicht zu. Mit geweiteten Augen starrte er auf den nackten Oberkörper des Fremden. Die helle Haut war von tiefen, langen Narben überzogen, die offensichtlich schon alt waren, aber noch immer einen seltsam rosigen Glanz besaßen. Schmerzhaft sahen sie aus - alle davon. Die größte und schlimmste Narbe fand sich auf der linken Schulter und zog sich bis zum Oberarm, der grausam zugerichtet aussah. Unförmig gar. Als ob ein Kind mit ungeschickten Fingern versucht hatte, den Oberarm aus Knetmasse zu formen und dabei Brocken mit den Nägeln herausgekratzt hatte. Der Alte hob die Hand an den Mund, um einen Laut des Entsetzens darin einzusperren, als ihm bewusst wurde, dass er sich wieder bewegen konnte. Erst zuckte er mit einem Bein, dann mit dem anderen und suchte festen Halt unter den Füßen. Schnell schob er den Stuhl zurück, drückte sich auf der anderen Seite am Tisch vorbei und stürmte zu seiner Frau, die mittlerweile zusammengesunken in der Hocke saß. Ihre Augen waren ebenfalls auf die schrecklichen Narben gerichtet; sie reagierte nicht, als ihr Mann sie berührte, nicht einmal dann, als er sie wieder auf die Füße ziehen wollte. “Es ist gleich vorbei”, sagte der Fremde und zog die Hose aus. Das letzte bisschen Stoff verschwand und nun stand er nackt in ihrem Wohnraum, keine Spur von Scham im Leib. Er schien nicht einmal die Kälte zu spüren, die hier herrschte. Als er die Hose aufhob und gemeinsam mit den Schuhen auf den Tisch neben die Bücher stellte, nutzte der Alte die Chance: Er zerrte seine Frau auf die Beine, klemmte einen Arm um ihren Oberkörper und rannte mit ihr aus dem Raum. Ohne sich umzusehen, eilte er zur Haustür und als er sie aufriss, war der Weg nach draußen von Brettern versperrt. Das hatte der Junge getan. Nicht nur die Fenster, sondern auch die Tür. Warum? Schief und verrutscht angebracht waren sie - die Bretter. Genau so, dass genug Löcher vorhanden waren, um die Freiheit zu sehen und das Gefühl zu haben, eine Chance zu haben: frei zu kommen, fliehen zu können. Der Alte drückte und zerrte gegen die Bretter, aber sie bewegten sich nicht. Er krallte die Fingernägel so fest hinein, dass sie abbrachen, doch er spürte den Schmerz nicht einmal. Ein grässliches Geräusch drang aus dem Wohnraum: Ein schmatzendes, feuchtes Würgen und Grollen, dann der dumpfe Laut eines Körpers, der zu Boden ging. Ein kehliges Stöhnen, das dem Fremden gehören musste und immer lauter wurde; es klang, als ob er starb und sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte. Als die Komode mit dem Geschirr klirrte und Möbel über die Dielen gedrückt und geschoben wurden, wurden die verzweifelten Bewegungen des alten Mannes schneller. Er warf sich mit der Schulter gegen die Bretter und hörte Holz knacken, aber selbst wenn eines der Bretter brach, war direkt dahinter ein zweites, das den Schaden abfing. Der Alte keuchte und versuchte es erneut, während ihm warmes Blut über Lippen und Kinn lief. Er setzte die Beine ein und trat zu und … eine der unteren Dielen war brüchig genug, um nachzugeben! “Schnell!”, rief er. Er wies seine Frau an, zu helfen, aber sie war wieder in sich zusammengesunken, die Arme fest um den eigenen Körper geschlungen und starrte mit tellergroßen Augen in die Richtung, in die der Wohnraum kam und immer mehr, immer lautere Geräusche drangen … bis sie irgendwann verstummten. Der Alte jedoch machte weiter. Er trat jetzt gegen die unteren Bretter, eines nach dem anderen, bis ein Loch entstand, das groß genug war, dass man hinauskrabbeln konnte. Es würde reichen, es musste reichen. Er ließ sich auf die Knie fallen, bückte sich und machte sich klein. “Komm schon - KOMM!”, herrschte er seine Frau an, die sich noch immer nicht bewegte. Sie war in ihrer Angst vollkommen erstarrt. Eine Statue nackter Panik, die keinen Laut von sich gab und nur mit großen Augen ins Nichts blickte. Er spähte in die Dunkelheit hinaus, die sich wie eine schwarze Leinwand um das Haus gespannt hatte … und dann sah er die leuchtenden, goldenen Augen in der Finsternis. Die gleichen Flammen, die er zuvor im Gesicht des Fremden gesehen hatte. Instinktiv zuckte er zurück, zurück ins Haus, wo er sicher war, bis ihn die Erinnerung einholte: er war hier nicht sicher. Obwohl sein Herz so laut in seiner Brust schlug und das Blut in seinen Ohren rauschte, hörte er das Knurren aus dem Wohnraum. Hörte, wie es näher kam, ebenso wie das Geräusch von schweren Tatzen auf dem alten Dielenboden, die unter dem Gewicht ächzten. Pat Pat Pat Pat, wie langsames, unheilverkündendes Trommeln. Als er langsam den Kopf drehte und einen Blick über die Schulter warf, sah er zuerst die gefletschten Zähne und den zähen, dickflüssigen Speichel, der über die Lefzen des Wolfes tropfte. Das gewaltige Tier schob sich in den Flur und schien darin noch mehr zu wachsen, vor ihren Augen größer und massiver zu werden, bis jedes Licht vollständig verschluckt wurde. Dann sah der Alte die leuchtenden, goldenen Augen, die auf ihn gerichtet waren und er konnte nicht anders, als zurückzublicken. Gebannt von der Magie des flüssigen Goldes, das vor ihm in der Dunkelheit schimmerte und ihr Glanz schien zuzunehmen, größer und größer zu werden, wie ein Vollmond, der sich dicht vor seinem Gesicht ausdehnte und als er es begriff, als er erkannte, was das bedeutete, war es bereits zu spät. | |||||||||
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