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Sirius Black - Sirius Black - 12.05.2023

Sirius hat keine Erinnerung an seine ersten Jahre. Sein Gedächtnis scheint erst zu seinem vierten Lebensjahr angesprungen zu sein und Erinnerungen gesammelt zu haben, von denen er einige wenige noch heute mit sich herumträgt. In seinem Kopf gibt es somit keine Zeit ohne Regulus. In Sirius’ Vorstellung war der kleine Bruder immer da, auch wenn er natürlich weiß, dass das nicht sein kann, immerhin ist Reggie der Jüngere. Aber alles, was davor passiert war, war offensichtlich nicht wichtig genug. (Es brauchte erst ein paar gute Freunde, die ihn freundlich darauf hinwiesen, dass man sich selten an Dinge aus der frühen Kindheit erinnert.)
Unvergessen ist der Moment, in dem der junge Sirius Black seine erste magische Begabung hatte. Es passierte im Alter von vier Jahren - in dem Jahr, als sein Gedächtnis anfing, aktiv besondere Erinnerungen zu sammeln und aufzubewahren. Es begann mit Regulus, der unglücklich und unzufrieden mit ihm auf dem Boden von Sirius’ Zimmer saß. Aus Angst, man könnte ihm den kleinen Bruder wegnehmen oder ihn zu Bett bringen, wenn er quengelte, versuchte Sirius alles, um ihn abzulenken und zu beschäftigen. Regulus schien wenig begeistert von den Bemühungen seines Bruders. Der griff in seiner Verzweiflung irgendwann nach einem Plüschhund - einem Geschenk von Onkel Alphard - und versuchte sich dahinter ganz klein zu machen, damit Regulus nur den Hund ansah und nicht Sirius. Der verstellte daraufhin seine Stimme und bellte, während er den Plüschhund vor Regulus auf und ab bewegte. Erst da wurde die zuckende Unterlippe des kleinen Bruders wieder ruhig. Wirklich lange konnte er ihn mit diesem Schauspiel nicht ablenken und Sirius wurde immer verzweifelter und versuchte den Plüschhund immer echter und aufregender zu spielen, bis … bis aus dem weichen Mund echtes Gebell erklang und als Sirius das Kuscheltier losließ, setzte es sich von ganz alleine in Bewegung. Sirius weiß bis heute nicht, ob es der Anblick des zum Leben erweckten Plüschhundes war oder sein überraschtes Gesicht, das Regulus zum Lachen brachte, aber es war das schönste Geräusch, das er in seinem kleinen Leben gehört hatte. Angelockt von dem hellen Kinderlachen und dem Gebell, tauchte kurz darauf Walburga bei ihnen im Zimmer auf. Noch ein Grund, wieso Sirius sich mit guten Gefühlen an diese Erinnerung klammert: Es war einer der wenigen Momente, in denen er sah, dass seine Mutter wirklich stolz auf ihn war. In seiner Vorstellung lächelt sie sogar, auch wenn er rückblickend nicht weiß, ob sie das wirklich getan hat oder er es sich nur wünscht.

Die Black-Kinder wuchsen äußerst behütet, gleichzeitig aber auch sehr abgeschottet ab. Sirius’ Fixierung auf den kleinen Bruder rührte daher, dass der Großteil seines Lebens der einzige Spielkamerad und ewige Gefährte war. Obwohl das Elternhaus von weiteren Gebäuden umgeben war, in denen andere Menschen wohnten, kam Sirius nie mit ihnen in Kontakt. Den Grund dafür erfuhr er sehr früh: sie waren Muggel und mit Muggeln gab man sich nicht ab. Irgendjemand setzte ihm auch den Floh ins Ohr, dass sie gefährlich waren und kleine, magische Kinder entführten, wenn man nicht aufpasste. Häufig ließen sie dann eines ihrer eigenen, nicht-magischen Kinder zurück und saugten die Magie aus ihrem Opfer. (Sirius weiß bis heute nicht, wer ihm diese Schauergeschichte damals erzählt hatte, aber er tippt darauf, dass Cousine Bellatrix ihn verstören wollte - mit Erfolg.) Die wenigen Kontakte, die die Kinder hatten, beschränkten sich auf andere Kinder aus gehobenen, reinblütigen Familien, bevorzugt aus den eigenen Kreisen. Die Cousinen Bellatrix, Andromeda und Narcissa waren daher häufig zu Gast; Sirius konnte mit den Mädchen schon alleine aufgrund des Altersunterschieds wenig anfangen und blieb lieber bei Regulus.

Vor einem Spiegel mochten sich Regulus und Sirius geähnelt haben, doch dem Ältesten der beiden wurde früh beigebracht, dass er eine besondere Rolle hatte, die ihn maßgeblich von Regulus unterschied: Er war der Erbe der Blacks. Eines Tages würde er in die Fußstapfen seines Vaters treten und dessen Verantwortung für die Familie übernehmen. Sirius konnte anfangs nur wenig mit diesen Worten anfangen. Als man es ihm genauer erklärte, fand er die Aussicht darauf, dass er seine Cousinen herumkommandieren konnte, ganz spannend. Die Begeisterung legte sich erst, als er begriff, dass er das erst konnte, wenn sein Vater tot sein würde - und das wollte er nicht. Er versuchte den Kummer und die aufkommenden Tränen zu verstecken, indem er bockig die Arme vor der Brust verschränkte und murmelte: ”Dann mag ich nicht.” Sirius liebte seinen Vater. Er wollte ihn nicht verlieren und lieber würde er sein ganzes Leben lang mit Regulus spielen, sich von den Cousinen ärgern lassen und weiterhin “nur” Sirius bleiben, wenn das bedeutete, dass sein Vater ewig lebte und für immer das Oberhaupt der Familie blieb.

Die darauffolgenden Jahre zeigten ihm, dass es kein Davonlaufen vor dem Schicksal gab. Je älter er wurde, je mehr Gespräche er mit seinem Vater führte, umso deutlicher wusste er, welche Ehre es war, eines Tages von ihm zu übernehmen, auch wenn es bedeutete, dass er ihn im gleichen Zuge verlieren würde. Er nahm die Rolle an, die man ihm schon als Kind aufbürdete und gleichzeitig stieg sie ihm zu Kopf. Noch nicht einmal acht Jahre alt, fing er an, seine Cousinen bei Besuchen herumzukommandieren, dass sie ihm Saft und Schokolade bringen sollten, immerhin sei er der Erbe der Blacks und sie mussten ihm gehorchen. Mit einem ähnlich herrischen Ton begegnete er sogar der eigenen Mutter. Walburga war darüber wenig erfreut, aber an diesem Tag wurde Sirius wegen seinem aufmüpfigen, unverschämten Verhalten nicht zum ersten Mal in seinem Leben bestraft. Er hatte schon zuvor häufiger die Härte ihrer Erziehung erfahren und wie sie versuchte, aus ihm etwas zu machen, was er nicht war. Mit jeder weiteren Bestrafung, jedem schneidenden Ton und jeder Maßregelung schrumpfte seine Zuneigung und Liebe zu seiner Mutter. Er machte es sich fast schon zur Aufgabe, sie zu provozieren und am laufenden Band herauszufordern. Du bist mit mir unzufrieden?, wollte er ihr damit sagen. Ich auch mit dir!

Schutz und Nähe suchte Sirius bei seinem Vater, den er aufgrund seines Berufs nicht so häufig zu Gesicht bekam, wie er es sich wünschte. Immer wieder sah er auf die Uhr und wartete, dass es dunkel wurde, denn wenn es dunkel wurde, kam sein Vater meist nach Hause. Sirius’ ganze Aufmerksamkeit verlagerte sich dann auf Orion: er wollte wissen, was er getan hatte, wollte mit ihm in dessen Büro gehen - das sonst für ihn tabu war - und die Schachfiguren inspizieren. Am liebsten hätte er einen Trank genommen, mit dem er nie wieder schlafen musste, um jede Abendstunde mit Orion vollständig auszukosten. Seinem Vater verzieh er sogar jedes Machtwort und jede Zurechtweisung, weil er nicht gefährden wollte, dass er die wenigen Stunden mit ihm auch noch verlor. Sirius lernte früh das Schachspiel und lange, bevor seine Füße den Boden berühren oder er das Brett vollständig sehen konnte, saß er schon auf dem Platz gegenüber von Orion und bettelte ihn an, mit ihm zu spielen und ihm Geschichten zu erzählen.

Die Tage gehörten Walburga und Regulus, die Abende seinem Vater Orion und viele, sehr viele Nächte waren wiederum für Regulus bestimmt. Sirius erkannte schnell, dass sein kleiner Bruder anders war, fand es aber nicht schlimm, immerhin war er noch immer Regulus. Wenn er hörte, dass er nachts von einem Albtraum hochgeschreckt wurde, war Sirius bereits auf den Beinen und eilte über den Flur. Wenn Regulus wach wurde und er es nicht bemerkte, dauerte es meist nicht lange, bis er in seinem Bett auftauchte. Sirius machte immer Platz für Regulus, um ihn in den Arm zu nehmen, zu trösten und mit ihm über die Dinge zu sprechen, die er träumte und sah. Er musste erst älter werden, um wirklich zu verstehen, dass dieser Fluch seines Bruders in Wahrheit eine Gabe war - für alle, nur nicht für ihn.

Die große Trennung kam im Alter von 11 Jahren, als Sirius nach Hogwarts ging und damit eine Reihe von Dingen ins Rollen kamen, die niemand - am wenigsten er - hatte kommen sehen. Als ihm in der Großen Halle der Sprechende Hut aufgesetzt wurde, wunderte er sich, wieso der nicht direkt Slytherin hervorbrüllte; seine Eltern hatten ihm gesagt, dass alle Blacks diesem Haus zugeordnet wurden und er - als Erbe der Blacks - wäre da keine Ausnahme. Doch er konnte hören, wie der Hut zögerte und mit sich rang. Er sei unübersehbar ein Black und damit sei die Wahl schon gefallen, teilte ihm der Hut mit, aber er sähe da auch etwas ganz anderes in ihm. Bevor Sirius fragen konnte, was es war, was der Hut gesehen hatte, verkündete dieser bereits seine Entscheidung: Gryffindor. McGonagall musste ihn fast vom Stuhl ziehen, weil er sich nicht bewegen konnte. In Wahrheit war es nicht die Angst davor, eine Tradition gebrochen zu haben und in ein Haus zu gehen, das offensichtlich nicht für Blacks geschaffen war. Sirius hatte Angst davor, wie seine Eltern auf die Neuigkeit reagieren würden. Am Ende musste er sich direkt in der ersten Woche von seiner Eule - einem Geschenk von Walburga - verabschieden. Seine Mutter war außer sich und hielt sich mit der Enttäuschung in ihren Zeilen an ihn kaum zurück. Sein Vater nahm die unerwartete Entwicklung offenbar gelassener hin, sehr zu Sirius’ Freude.

Sirius musste erkennen, dass viele der Kinder, die er namentlich aus den eigenen, gehobenen Kreisen kannte, in Slytherin waren. Obwohl sie sich hüteten, ihn wirklich zu beleidigen - immerhin war er noch immer der Erbe der Blacks - entgingen ihm die ewigen Neckereien nicht. Einige von ihnen sagten Dinge, die er auch in jedem Brief von Walburga hätte finden können. Sirius’ Frustration ließ er dabei vor allem an den eigenen Mitschülern aus. Ohnehin trafen hier Welten aufeinander: Sirius kam erstmals ins Gespräch mit Kindern, die sonst nicht in seinem kleinen Universum existierten. Das zeigte sich auch dadurch, wie er mit ihnen umging. Das ideologische Denken kam ungefiltert aus seinem Mund und er merkte nicht einmal, wie verletzend er mit ihnen umsprang, denn das war alles, was er kannte und gelernt hatte. Es brauchte mehrere Monate, bis er auch nur auf die Idee kam, dass das, was er glaubte und er von seinen Eltern über “die Anderen” - und das waren alle, die nicht wie sie waren - belogen worden war. Das Umdenken kam nicht über Nacht. Es war ein schleichender Prozess, in dem er mehr und mehr hinterfragte, ob die Welt wirklich so war, wie man sie ihm sein ganzes Leben lang beschrieben hatte. Denn mit einem Mal sah er sie mit eigenen Augen und konnte eigene Erfahrungen machen und damit Dinge widerlegen, die ihm in seiner Erziehung beigebracht worden waren und plötzlich keinen Sinn mehr ergaben. Oder wie konnte es sein, dass Muggelstämmige bessere Ergebnisse im Unterricht erzielten, wo er doch der Black-Erbe und so besonders war? Wieso konnten sie auf Anhieb mit dem Besen umgehen, während er einen zweiten Anlauf brauchte?

Stück für Stück wandte Sirius sich mehr von der Familie - oder eher: den Eltern - ab. Gegen Ende des 1. Jahres freundete er sich mit James Potter an, den er den Großteil des Schuljahres verachtet hatte, weil es das war, was man von ihm verlangt und erwartet hatte. Er hatte ein schreckliches Bild von Kindern von Blutsverrätern gehabt, stattdessen konnte er mit James am besten lachen, die wildesten Manöver auf dem Besen absolvieren und die verrücktesten Ideen für Streiche aushecken. Kurz darauf freundete sich Sirius schließlich auch mit den restlichen Jungs in seinem Zimmer an und öffnete sich mehr für die Welt, die er im Alter von 11 Jahren das erste Mal wirklich sah. Es war die Geburtsstunde der Rumtreiber.

Mit einem Mal hatte Sirius einen festen Freundeskreis. Dank ihrer Hilfe konnte er Stück für Stück und über den Zeitraum von sieben Schuljahren viele Seiten in sich niederlegen, die seine Eltern dort überhaupt erst aufgezogen hatten. (An der Stelle soll erwähnt werden, dass es ihm trotzdem nicht gelungen ist, ein vollkommen anderer Mensch zu werden. Diese andere Seite - der Erbe der Blacks - schlummert noch immer in ihm und sie zeigt sich in verschiedenen Situationen. Sirius ist weiterhin arrogant und von sich selbst überzeugt und irgendwo noch immer der kleine Junge, der das imaginäre Zepter schwingt, um die Leute in seinem Umfeld herumzukommandieren, damit sie taten, was er wollte. James & Co. geben ihm in solchen Situationen häufig den dringend benötigten Reality Check.)

Die Rumtreiber wurden für Sirius zu einer neuen, einer echten Familie. Die Zeit Zuhause entwickelte sich für ihn mit jedem weiteren Jahr zur Qual. Seine Freunde merkten, wie er sich veränderte - ruhiger wurde, sich in sich selbst zurückzog und es wirkte, als ob man ein Licht in ihm ausgeknipst hatte - wenn die Ferien näher rückten und er damit zurück in den Grimmauldplatz Nr. 12 zurückkehren musste. Die Beziehung der Brüder litt unter Sirius’ Nähe zu den Rumtreibern und der Veränderung, die sie an ihm vornahmen. Jeder Versuch, den kleinen Bruder in die eigene, weitaus offenere und buntere Welt zu ziehen, scheiterte. Regulus zog sich von ihm zurück und Sirius hatte das Gefühl, dass Regulus ihn - genau wie Mutter - verachtete. Immer wieder schrieb er dem kleinen Bruder Briefe, schickte ihm Poster und Postkarten und Bilder, die er in Hogwarts ertauscht oder gekauft hatte. Wenn er in den Ferien nach Hause kam und hoffte, dass etwas davon an Regulus’ Wänden hing, wurde er enttäuscht. All die Aufmerksamkeiten, mit denen er Regulus zeigen wollte, dass er an ihn dachte, waren weg. Nicht an den Wänden, nicht in den Schubläden. Vermutlich verbrannt, mutmaßte Sirius. Alles, was er in den kommenden Jahren in dem Zimmer seines kleinen Bruders fand, waren Zeitungsausschnitte, die sich mit schwarzer Magie beschäftigten.

Die Entfremdung von Regulus ließ er an seinen Eltern aus, vor allem an seiner Mutter. Es verging kaum ein Tag, an dem er zu Hause war und eine Situation zwischen ihnen nicht eskalierte. Übermütig widersetzte er sich immer wieder ihren Worten, gab Widerworte und testete Grenzen aus, als wollte er ihr zeigen: Ich bin der Erbe der Blacks und eines Tages werde ich über all das hier entscheiden und richten und du hast keine Macht mehr über mich.
Die Bestrafungen nahmen zu und wurden härter. Sirius bekam sogar Walburgas’ Feuer zu spüren, auch wenn er überzeugt ist, dass sie es nicht bewusst gegen ihn einsetzen wollte. Am Oberarm trägt er daher eine ringförmige Brandnarbe, als sie ihn eines Tages nach einem Streit gepackt hatte und mit einem Mal Flammen aus ihrer Haut zu lecken schienen und ihn versengten.
Selbst die Beziehung zu Orion wurde von Sirius’ unbändiger, wutgespeister Rebellion nicht verschont. Seinem Vater begegnete er weniger laut und aufbrausend, aber immer häufiger mit der gleichen Verachtung, die er für seine Mutter empfand. Er fühlte sich verraten von dem Mann, zu dem er immer aufgesehen hatte, weil er ihm Dinge in den Kopf gepflanzt hatte, die nicht richtig waren.

Nachdem James, Peter und Sirius erfahren hatten, dass ein Mitglied ihrer Runde ein haariges Geheimnis hatte, wurde er im ersten Moment von all den Vorurteilen und Schauergeschichten seiner Familie heimgesucht. Sirius war mit der Werwolf-Information überfordert und wusste erst nicht, wie er reagieren sollte. Es war James, der ihm erneut vor Augen rief, dass es Remus war. Hatte er ihn nicht all die Jahre gemocht und geschätzt und gerne Zeit mit ihm verbracht? Ja. Hatte er da gewusst, dass er ein Werwolf gewesen war? Nein. Hatte sich die Freundschaft zu ihm irgendwie anders angefühlt, als die zu James und Peter? Nein. James half ihm dabei, zu erkennen, dass Remus sich zwar bei Vollmond verwandelte, aber die restliche Zeit ein normaler Zauberer war. Vor allem aber: sein Freund.
Es brauchte ein paar Vollmonde, bis Sirius die Nachricht vollständig verdauen konnte. Doch dann war er Feuer und Flamme dafür, zu sorgen, dass Remus diese furchtbaren Nächte nicht länger alleine durchstehen musste. Die Rumtreiber nahmen es sich zur Aufgabe, sich in Animagi zu verwandeln, in deren Gestalt sie Remus Gesellschaft leisten konnten. Es war ein herausfordernder Zauber, selbst für einen magisch begabten Jungen wie Sirius Black. Mit viel Übung und nach zahlreichen Fehlversuchen gelang es ihnen schließlich. Sirius’ Animagus-Gestalt ist die eines großen, schwarzen Hundes, optisch fast zu verwechseln mit einem Grimm. Er liebt es, sich in dieser Gestalt aufzuhalten und als Hund herumzutollen, selbst wenn manches Mal das Tier in ihm die Zügel in die Hand nimmt, wenn er verwandelt war. (Er wünschte, er würde als Hund nicht so ausflippen, wenn man Stöckchen oder Bälle warf, aber es ist jedes Mal aufs Neue ein echtes Highlight.) Die geteilten Vollmondnächte brachte die Rumtreiber noch mehr zusammen. Es fühlte sich berauschend an, als Hund an der Seite von Werwolf Remus zu sein. Sirius spürte erstmals andere Gefühle für einen seiner engsten Freunde, konnte diese aber nicht vollständig zuordnen.

1976 veränderte sich Sirius’ Leben für immer. In den Sommerferien wuchs seine Frustration ins Unermessliche. Über den Zwei-Wege-Spiegel, den er von Onkel Alphard geschenkt bekommen hatte, schnappte er immer wieder auf, was für ein tolles Leben sein bester Freund James führte. Er schnappte Fragmente von Euphemia und Fleamont Potter auf, die so viel anders waren und ihm bei jedem flüchtigen Kontakt mehr Freundlichkeit und Liebe entgegenbrachte, als er in all den Jahren von seinen Eltern erhalten hatte. Am Ende war es nur das, was er wollte: Liebe. Hungrig danach suchte er sie bei Regulus, aber der kleine Bruder hatte ihn zu diesem Zeitpunkt fast vollständig aus seinem Leben ausgeschlossen. Sirius ertrug die Zeit zu Hause nur noch mit Alkohol. Er trug Kreacher jeden Abend an, ihm eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen und drohte, er würde ihn köpfen, wenn er ihm nicht gehorchte. Angetrunken und voller Selbstmitleid und Hass, ging Sirius nach dem Abendessen erneut auf seine Mutter los. Sollte sie ihn doch bestrafen, es war ihm egal. Er kannte die Magie, die sie wirkte. Er hatte kein Angst mehr vor ihr oder den Schmerzen, die sie brachte.
Am Ende war es nicht sie, die ihn bestrafte, sondern sein Vater: Orion kehrte früher als erwartet nach Hause zurück. Als er mitbekam, wie Sirius sich über das Haus Black und alles, woran es glaubte und wofür es stand, lustig machte, war es sein Zauberstab, der sich auf Sirius richtete und ihn mit einer Härte bestrafte, die er niemals von seinem Vater erwartet hatte und nie bei ihm gesehen hatte. Es passte nicht zu ihm. Er hatte das Gefühl, ihn nicht mehr zu kennen. Vielleicht war aber auch das am Ende sein wahres Gesicht und Sirius hatte es in all den Jahren einfach nicht wahrhaben wollen. Orions grausame Strafe durchtrennte die letzte Verbindung, an die sich Sirius - das kleine Kind in ihm, das abends mit dem Vater Schach gespielt hatte - noch geklammert hatte. Bis heute weiß er nicht, dass es nicht Orion war, der ihn in dieser Nacht derart unbarmherzig bestraft und gequält hatte, sondern ein Doppelgänger, den Voldemort in die Familie geschickt hatte.

Sirius rannte noch in der gleichen Nacht von Zuhause weg. Mit dem Fahrenden Ritter gelang es ihm, zu den Potters kommen. Es war Euphemia Potter, die ihn mitten in der Nacht empfing und beim Anblick des verstörten, zitternden Teenagers sofort verstand, was vorgefallen war. Sirius, der immer versucht hatte, stark zu sein, ließ sich von ihr noch auf der Türschwelle in eine Umarmung ziehen und begann zu weinen.
Euphemia und Fleamont Potter erklärten sich bereit, Sirius aufzunehmen und sich bis zu seiner Volljährigkeit um ihn zu kümmern. Er erhielt ein eigenes Zimmer im Haus der Potters und wurde zum ersten Mal Teil einer richtigen Familie. Das war alles, was er all die Jahre gewollt hatte: Liebe. Und die Potters hatten genug davon, um auch ein weiteres Kind im Haushalt damit zu versorgen, selbst wenn es nicht per Blut zur Familie gehörte.
Vielleicht lag es daran, dass er nie eine Mutter hatte, bei der er sich sicher gefühlt hatte, aber Sirius baute eine sehr innige und vertrauensvolle Beziehung zu Euphemia - die er immer nur Effie nannte - auf. Als ob er ihr für immer dafür dankbar war, dass sie ihn in dieser Nacht nicht abgewiesen, sondern mit offenen Armen und viel Verständnis empfangen hatte. Ihr ist es zu verdanken, dass Sirius ganz langsam zu lernen begann, erneut Erwachsenen zu vertrauen und zu erkennen, dass nicht alle schlechte Absichten hatten.

Durch das Sicherheitsnetz, das die Potters rundherum um ihn zu bilden schienen, konnte Sirius die Nachricht über seine Verbannung und Enterbung einigermaßen mit Fassung ertragen. Der Schock saß trotz allem tief. Niemals hatte er damit gerechnet, dass seine Eltern so weit gehen würden. Effie und Fleamont versicherten ihm, dass er sich keine Sorgen um die Zukunft machen müsste und sie ihn unterstützen würden. Sirius war dankbar für ihre Hilfe. Er hatte nicht vor, zu seiner Familie zurückzukehren. Aber er erkannte erst in diesem Moment, nachdem alle Brücken niedergebrannt worden waren, dass er damit nicht nur seine Eltern verloren hatte, sondern auch endgültig seinen kleinen Bruder Regulus.

Sirius’ Gefühlsleben war weiterhin ein Fass mit explosivem Inhalt - ein Funke hätte genügt, um alles in die Luft zu jagen. Ein Funke, der im sechsten Schuljahr von Severus Snape, einem verhassten Mitschüler aus Slytherin, kam. Er war den Rumtreibern schon länger ein Dorn im Auge und Sirius wollte ihm ein für alle Mal eine Lektion lehren. Er dachte nicht viel darüber nach, verschwendete keinen einzigen Gedanken an mögliche Konsequenzen oder dass sein Plan nach hinten losgehen könnte, sondern wollte einfach nur, dass Snape den Schrecken seines Lebens erfuhr. Nur so, erhoffte sich Sirius, würde er endlich lernen, dass er die Rumtreiber in Ruhe lassen sollte. Er entschied sich, dass keiner der üblichen Streiche der Rumtreiber ausreichen würde. Die Lektion musste größer und schauriger sein. Am Ende lockte Sirius seinen verhassten Rivalen in einer Vollmondnacht in die Heulende Hütte - dorthin, wo Remus sich immer für seine Verwandlungen aufhielt. Da er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie furchterregend eine Werwolfverwandlung sein konnte und er Snape zutiefst verstören wollte, stand sein Plan fest.
Am Ende war es James zu verdanken, dass Severus in letzter Sekunde gerettet werden konnte. McGonagall und Dumbledore erfuhren von dem Vorfall. Sie sprachen nicht mit anderen Lehrkräften darüber, um Remus’ Geheimnis aufrecht zu erhalten, konnten Sirius’ leichtsinnigen und dummen Fehltritt aber auch nicht ungeschehen lassen. Zur Strafe wurde Sirius Black als Treiber aus dem Quidditch-Team geworfen und kehrte in seiner restlichen Schulkarriere nicht zurück ins Team. Die Gerüchteküche brodelte. Angeblich hätten die Lehrkräfte ihn bei einem geplanten Streich in Dumbledores Büro erwischt und deswegen so hart durchgegriffen, tuschelten die Mitschüler. Niemand erfuhr den wahren Grund. Für Sirius war es gefühlt die nächste Verbannung, die ihn einholte. Dazu kam die Sorge, dass er seine Freunde verlieren könnte. Er wusste jetzt, dass er zu weit gegangen war. Er bereute es. Er entschuldigte sich hundertfach und so lange, bis sie ihm verziehen. Doch die Sorge blieb, dass er damit - vor allem in seiner Beziehung zu Remus - etwas kaputt gemacht hatte, was sich nie wieder reparieren lassen würde.

Das Chaos rund um den Snape-Streich hatte Sirius zumindest eines deutlich gezeigt: er wollte Remus nicht verlieren. Nicht nur, weil er ihm ein wichtiger Freund geworden war, sondern auch, weil er mehr empfand. Am Ende wagte er den ersten Schritt und gestand Remus seine Gefühle - nachdem es einen leicht angetrunkenen Kuss gegeben hatte. Zum ersten Mal hatte sich der so selbstbewusste Sirius Black Mut antrinken müssen, um keinen Rückzieher zu machen. Zu seiner Erleichterung stellte sich heraus, dass Remus ähnlich für ihn empfand. Die beiden gingen eine lockere Beziehung ein, darauf bedacht, dass die restlichen Freunde nicht davon Wind bekamen. Die Sorge war zu groß, dass sich dadurch etwas in der Rumtreiber-Dynamik verändern würde. Weder Remus, noch Sirius wollten das riskieren und entschieden sich für eine Liebe in den Schatten und abseits fremder Blicke.

Für Sirius hatte es sich angefühlt, als ob er als Kind keinen einzigen Schritt und kein einziges Wort von Regulus jemals verpasst hatte. Immer da, immer wachsam, immer in seiner Nähe. Jahre später sah die Situation anders aus. Er erfuhr es nicht von Regulus und - wenig überraschend - auch nicht von seiner Familie, dass man seinen kleinen Bruder vorzeitig aus der Schule genommen hatte. Eines Tages kam er einfach nicht mehr zurück nach Hogwarts. Sirius erfuhr zufällig im Hogwarts-Express davon. Anfangs hielt er es für einen schlechten Scherz, aber da war dieses ungute Gefühle in der Magengegend, das ihm keine Ruhe ließ. Das am Ende dafür sorgte, dass er jeden Wagen des Zuges ablief und nach seinem Bruder suchte und als er das vertraute Gesicht nicht sah, wusste er Bescheid: sie hatten es wirklich getan und ihm die letzte Verbindung zur Außenwelt - zur echten Welt - genommen.
Sirius’ Briefe nach Hause blieben unbeantwortet. Er ist sich nicht einmal sicher, ob Reggie sie jemals erhalten hatte oder sie davor in Walburgas Händen gelandet waren. In den nächsten Ferien brach er eines Tages früh morgens aus dem Potter-Haushalt auf - angeblich, um seinen Onkel Alphard zu besuchen. (Und da dieser nur kurze Zeit später starb, wünschte er sich, er hätte ihm wirklich etwas mehr Zeit gewidmet.) Es fühlte sich nicht gut an, die Potters und vor allem James zu belügen, aber es blieb ihm keine andere Wahl. In Wahrheit machte sich Sirius auf den Weg zum Grimmauldplatz Nr. 12 und verbrachte den ganzen Tag und bis spät in den Abend hinein vor dem Haus. Er wusste, dass er vergebens wartete und hatte doch genug Hoffnung, Regulus vielleicht zufällig anzutreffen oder am Fenster zu sehen, dass er keine Sekunde den Blick vom Haus abwandte - ohne Erfolg.
In den darauffolgenden Wochen und Monaten ging er einen Schritt weiter und experimentierte mit Magie: Er verwandelte seine Briefe an Regulus so, dass sie ihren Inhalt erst enthüllten, wenn er sie in die Hand nahm. So würde Walburga keinen Verdacht schöpfen. Doch nachdem auch diese Briefe unbeantwortet blieben und er sich die letzten Jahre mit Regulus vor Augen rief, in denen er ihn weder im Haus, noch in Hogwarts wirklich beachtet hatte, versuchte Sirius zu akzeptieren, dass Regulus sich für die Seite seiner Eltern entschieden hatte. Und damit gegen ihn.

Kurze Zeit später ereilte Sirius im selben Jahr - 1977 - der nächste Schicksalsschlag: Alphard Black, Sirius’ Patenonkel und liebster Onkel, starb überraschend. Im Testament stand Sirius’ Name als Erbe seines Vermögens und Eigentums. Für Sirius fühlte es sich an, als ob Alphard ihm damit ein letztes Zeichen geben wollte, dass er niemals zur Familie Black zurückkehren sollte. Er hatte ihm ein finanzielles Polster geschaffen, mit dem er unabhängig bleiben könnte, selbst wenn er nach dem Abschluss nicht direkt eine Ausbildung beginnen wollen würde. Das Geld gab ihm zwar eine dringend benötigte Sicherheit, aber am Ende wollte er nur eine einzige Sache aus Alphards Besitz aus vollstem Herzen: das alte Motorrad, an dem sie bei jedem von Sirius’ Besuchen gearbeitet hatten.

Anfang 1978 gingen Remus und Sirius in ihrer Beziehung den nächsten Schritt. In vertrauter Runde machten sie die Beziehung vor ihren Freunden offiziell. Das Versteckspiel war vorbei. Sirius gelang es erstmals, sich eine Zukunft ganz ohne die Black-Familie auszumalen, ohne, dass er dabei ein klammes Gefühl in der Brust spürte. Nachdem sich abzeichnete, dass James eine Auroren-Ausbildung beginnen würde, stand damit auch automatisch Sirius’ Weg nach Hogwarts fest. Er würde seinen besten Freund bis ans Ende der Welt begleiten, da würde er ihn bestimmt nicht alleine ins Ministerium gehen lassen. Der Wunsch, als Auror Gutes zu tun, wurde mit jeder schlechten Nachricht in der Zeitung und jeder flüchtigen Begegnung mit Familienmitgliedern nur noch stärker. Daher zögerte er auch nicht, sich dem Orden des Phönix anzuschließen und Dumbledores Kampf gegen den Dunklen Lord und dessen Gruppierung - die Todesser - zu unterstützen. Er weiß, dass es gefährlich ist, ist aber so von sich selbst überzeugt, dass er glaubt, er sei unantastbar und nichts und niemand könne ihm schaden. Die schlimmen Dinge, die passierten nur den Anderen.

Der Ausbildungsbeginn im Ministerium stellte sich für Sirius als äußerst holprig heraus. Der Name Black war bekannt und auch wenn man seiner Familie nie offiziell etwas nachsagen konnte, gab es Gerüchte und Vorurteile. Er sah sie in den Augen der Auroren, die er an seinem ersten Tag kennenlernte und er hört bis heute das Tuscheln, wenn sein Nachname fällt. Sirius weiß, dass sie ihm nicht vertrauen und strengt sich dabei umso mehr an, um sie alle davon zu überzeugen, dass er nicht wie der Rest seiner Familie ist. Sirius’ Start ins Berufsleben war somit alles andere als optimal. Und als wäre das nicht bereits schlimm genug, verlor er nach wenigen Wochen seinen Ausbilder, der bei einem Einsatz ums Leben kam. Sirius wurde daraufhin Alastor Moody zugewiesen, mit dem er zumindest im Orden bereits Kontakt hatte. Noch weiß Sirius nicht so ganz, ob diese Verbindung ihm einen Vorteil oder am Ende doch einen Nachteil in der Ausbildung bringen wird.

Sirius hatte gedacht, dass er nach achtzehn Jahren Leben als Black wusste, was Schmerz bedeutete, aber er hatte sich getäuscht. Der Tod von James’ Eltern war einer der einschneidendsten Momente in seinem Leben. Die beiden waren für ihn innerhalb kürzester Zeit zu wichtigen Bezugspersonen geworden. Als er von ihrem Tod erfuhr, kümmerte er sich - gemeinsam mit den Rumtreibern, zu denen nun auch Lily Evans gehörte - um seinen besten Freund. Sirius versuchte, stark für James zu sein. Ihn zu trösten. Er ließ sich nicht anmerken, dass es sich auch für ihn anfühlte, als ob er Eltern verloren hätte - schon wieder. Dieses Mal aber welche, die gut zu ihm gewesen waren. Erst als Sirius erkannte, dass James bei Lily & Co. in guten Händen war, zog er sich zurück. Tauchte regelrecht unter. Erst mehrere Stunden später kehrte er mitten in der Nacht zu Remus zurück: betrunken und dreckig und offenbar war er in eine Schlägerei verwickelt gewesen. In dem Moment, als er den ersten Augenkontakt zu Remus herstellte und wusste, dass der ihn sah - wirklich sah - brach er zusammen. Er weinte, er schluchzte, er fluchte. Da waren so viele Gefühle in ihm, die er nicht erklären konnte, aber er hatte das Gefühl, darin unterzugehen. Er weinte nicht nur um Effie und Fleamont, sondern auch um die Eltern, die er zuvor verloren hatte. Walburga und Orion. Er weinte um Regulus. Um Alphard. Um all die Menschen, die er liebte und die ihn früher oder später alle verließen. Weil es am Ende das war, was man immer für ihn vorgesehen hatte und selbst die Verbannung würde nichts daran ändern: Er war der Erbe der Blacks und diese Position konnte nur ein einzelner Mensch einnehmen; ein Erbe war immer alleine.