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Janet Waterdane - Janet Waterdane - 23.10.2021

Hundert Bürstenstriche brauchte es, um Lysandras ihr Haar in der seidigsten Prächtigkeit über ihren Rücken wallen zu lassen. Erst als sie die Hand ihrer Mutter auf ihrer Schulter spürte und ihre Wange gestreichelt wurde, eine kurze Liebkosung nur bevor sie mit der Ankleidezeremonie fortfahren würden, rührte sich die Gestalt des Mädchens wieder. "Es wird doch auch Musik gespielt werden?" Fragte sie hoffnungsvoll nach, obwohl sie die Antwort doch ohnehin kannte. Natürlich würde es das! Immerhin gab es etwas zu feiern - Papa hatte einen Sieg gegen diese widerlichen Schlammblüter errungen und verhindert, dass ein unsinniges Gesetz verabschiedet wurde, durch das ihnen feste Sitze des Zaubergamots zugestanden hätten. Lysa verstand nicht alle Zusammenhänge, aber Papa hatte mit unglaublich viel Leuten geredet und sie hatten über zwei Monate fast jeden Abend Besuch bekommen bis er genug Menschen von der Unsinnigkeit des Vorhabens überzeugt hatte. Nun also würden sie feiern, dass alles beim alten blieb und sie hatte sogar ein smaragdgrünes Kleid angefertigt bekommen, das auszuführen sie sich schon ungemein freute. Aber nicht so sehr wie auf den Tanz!

Ein vergnügtes, ganz und gar nicht standesgemäßes Quietschen verlieh der Freude Ausdruck, die sie verspürte, während sie Hand in Hand mit Euklydes durch den Saal wirbelte. Er lachte, hell und wohltuend und dann ließ er ihre Hand los, nur um sie im nächsten Moment auch schon wieder aufzufangen. Tanzen. Wie fliegen, nur besser! Ganz besonders wenn ihr großer Bruder es mit ihr tat, sie durch den Saal wirbelten und jeder ihnen Platz machte. Aus den Augenwinkeln bemerkte Lysandra ihren Tanzlehrer, der halb amüsiert, halb wohlwollend ihrem Treiben folgte. Er wusste ja, wusste es aus ihrer täglichen Übungsstunde, dass schneller besser war, dass kompliziert gerade richtig war, dass Musik durch sie floss, sie ihr Ausdruck verleihen musste. Unbedingt! "Hast du mitbekommen, dass die Bulstrodes ein Auge auf dich geworfen haben?" Raunte Euklydes ihr ins Ohr und sie nickte. Klar! Sie war jetzt auch immerhin schon neun Jahre alt, da machte man sich Gedanken um zukünftige Verbindungen. Papa nutzte den Abend bestimmt für allerlei Gespräche, aber das alles wirkte für sie noch sooo weit weg. Hogwarts - das war der nächste große Schritt!



Tapfer drückte sie den Rücken durch, hob die Hand und winkte dem Zug hinterher. Euklydes fuhr nach den Weihnachtsferien wieder zurück nach Hogwarts und doch fiel ihr der Abschied viel schwerer als beim ersten Mal, als sich ihre Wege im Herbst getrennt hatten.
Sie hätte in einem halben Jahr darin sitzen sollen. Sie hätte an seiner Seite sein, mit ihren Freunden scherzen und lachen sollen. Und doch stand sie hier auf dem Bahnsteig, an der Seite ihrer Eltern und würde niemals nie in diesen Zug steigen. Lysandra fühlte sich so wahnsinnig verloren, verunsichert und versuchte all diese Dinge doch herunterzuschlucken und tapfer zu sein. Winken. Lächeln. Die hübsche, starke Tochter sein, die sie immer gewesen war. Dabei musste sie doch gar keine Angst haben! Dann würde sie eben ein Leben zuhause führen, es mangelte ihnen doch nicht an Geld? Niemand würde sie heiraten wollen, keine Squib. Selbstverständlich nicht. Aber vielleicht konnte sie sich auf andere Art in die Familie einbringen? Euklydes! Euklydes würde sie immer an seiner Seite wissen wollen!
Und doch war da etwas in ihr, das die Katastrophe kommen sah. Das sich krampfhaft in ihr zusammen zog, als sie, wieder fort vom magischen Bahngleis, auf einmal ganz alleine unter Muggeln war. Muggel, die ihr Angst einjagten, die doch in jeder einzelnen Geschichte, in der sie vorkamen, die Schreckgestalten mimten. Der Muggel unter dem Bett zum Beispiel, oder jener, der kam um kleine Kinder zu stehlen...
"Mama? Papa?" Ihre Stimme klang verzagt, es dauerte nicht lang, bis heiße Tränen ihre Wangen hinunter rannen. Es dauerte auch nicht lang, bis Muggelpolizisten auf sie aufmerksam wurden. Und sie erstmal versuchte wegzurennen und sich... hoffnungslos verrannte. Schockstarre vor einer Rolltreppe, die ihr wie der Eingang zur Hölle anmutete. Sich dann doch beherrschen, als sich die Klauen Hände der Beamten auf ihre Schulter legten. Sie fragten, ob sie denn ganz allein hier wäre. Ja. Alleine. Das war sie. Und sie hätte um sich schlagen mögen, schreien, heulen, als sie die Muggelabwehrzauber rund um ihr Zuhause intakt, auch sich betreffend, bemerkte. Noch verstand sie nicht wieso sie Gefangen.
Gefangen unter Muggeln. Warum?



Schwierig war das Mädchen, trotz des noblen Zwirns in den sie gekleidet gewesen war hatte sie niemand als vermisst gemeldet. Und ganz offensichtlich hatte sie nie ordentliche Schulbildung genossen. Ja, sie konnte schreiben - und hatte dafür nach einer Feder (!) verlangt, aber all die anderen Dinge die sie in ihrem Alter bereits können sollte stellten für sie etwas Fremdes dar. Zudem fantasierte sie, sprach von Elfen, Gnomen, Einhörnern und allerlei anderem mythischen Getier. Stellte den Feen Milch und Kekse vor die Tür.
Man war sich in der Belegschaft einig darüber, dass das arme Kind im Schoße irgendeiner Sekte aufgewachsen war. Zumal sie nicht dumm war, sie sprach fliessend Französisch und rezitierte Latein nicht nur, sondern beherrschte es!
Scheu war sie, mied Kinder als auch Erzieher, schien richtiggehend Angst vor ihnen zu haben und war nur gegenüber einer älteren Betreuerin aufgetaut, die den Kindern ab und an auf dem Klavier vorspielte. Auch Lysandra beherrschte das Klavierspiel und tanzte gern dazu. Sie würden dem Kind hoffentlich eine Pflegefamilie finden, die dieser Herausforderung gewachsen war und das Mädchen gleichzeitig fördern konnte.



Portree. Zuerst war ihr die fremde und kleine Stadt unheimlich gewesen, genau wie die Menschen, die sie bei sich aufgenommen hatten. Aber es hatte nur ein paar Tage gebraucht bis sie aufgetaut war und vor allem den kleinen Sohn der Wagtails ins Herz geschlossen hatte. Stundenlang konnte sie vor dessen Bett stehen, immer wieder das Mobile darüber anstuppsen und sich daran erfreuen wie das Kleinkind gluckste und lachte. Danach dauerte es nicht lange bis sie sich auch ihrer Pflegemutter gegenüber öffnete, die zwar Lehrerin an der hiesigen Schule war, aber sich stets so viel Zeit für sie nahm wie sie nur konnte. Versuchte ihr all die Dinge beizubringen, die sie aufzuholen hatte. Und vor allen Dingen: ließ sie gewähren, wenn Jeanne, wie sie sich bald nannte, mal wieder eine Schüssel Milch für die Anderwesen hinausstellen wollte.



31 Jahre.
Das waren nun 20 Jahre in der Muggelwelt und nur 11 in der Riege der reinblütigen Arschlöcher. Janet war es zufrieden, betrachtete liebvoll wie ihre beiden ältesten miteinander spielten und seufzte, als sie bemerkte, dass sich das Geschirr im Schrank schon wieder selbstständig gemacht hatte. Zum Glück würde Onkel Myron später vorbei kommen und zu Bruch gegangenes durch ein paar schlichte Zauber wieder reparieren. Sie kam echt gut ohne Magie klar - solange der liebe Nachwuchs eben diese nicht auspackte! Hin und wieder kam Janet damit schonmal in Erklärungsnot, wenn das Ganze vor irgendwelchen neugierigen Nachbarn passierte, aber hey - es waren nunmal Kinder und es gehörte zum Alltag eines magischen Kindes dazu. Ethan hatte das ganz anders gesehen. Ethan, der Rowena gottverdammt nochmal irgendeinem Psycho-Priester hatte ausliefern wollen, weil er Schiss vor deren magischen Ausbrüchen gehabt hatte! Noch immer zeriss es ihr das Herz, wenn sie an ihre große Liebe dachte. Ihren Exmann, mit dem sie doch eigentlich durch dick und dünn hatte gehe wollen. Aber nicht zulasten der Kinder. Niemals zulasten der Kinder.
Was für ein Glück sie doch hatte ihre Familie hinter sich stehen zu haben! Die einzige Familie, die zählte. Auch wenn die andere sie noch immer ab und an besuchte. In ihren Träumen. Oft waren es Albträume.

Aber manchmal, da fegte sie auch mit Euklydes übers Parkett, hörte sein helles, unbeschwertes Lachen.
Wirbelte im Kreise.